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ThyssenKrupp: Kein Erfolg bei Verkauf von Übersee-Stahlwerken

ThyssenKrupp hat den Befreiungsschlag verpasst: Der angeschlagene Mischkonzern kann bei dem wichtigen Verkauf der Übersee-Stahlwerke immer noch keinen Erfolg vermelden. ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger will sich angesichts der immer wieder stockenden Verhandlungen keine Frist setzen. "Auch wir hätten gerne schneller einen Abschluss erzielt; für uns stehen aber Unternehmensinteresse und Sorgfalt an erster Stelle", sagte er am Dienstagabend anlässlich der Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal des Geschäftsjahres 2012/13 (per Ende September). "Daher werden wir unsere Entscheidungen nicht von Stichtagen abhängig machen." Hiesinger hatte die verlustreichen Stahlwerke in Brasilien und den USA ursprünglich bis zum Ende des Geschäftsjahres verkaufen wollen. Auf den Konzern könnten nun schwierige Verhandlungen mit Banken zukommen.

Das Unternehmen bestätigte die Prognose, wonach der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) im fortgeführten Geschäft im Gesamtjahr bei rund einer Milliarde Euro liegen soll - nach 1,4 Milliarden Euro 2011/12. Im dritten Quartal fuhr ThyssenKrupp 332 Millionen Euro ein nach 384 Millionen vor Jahresfrist. Von Reuters befragte Analysten hatten im Durchschnitt mit einem operativen Gewinn von 278 Millionen Euro gerechnet. Im Gesamtkonzern schrieb das Unternehmen inklusive der Übersee-Stahlwerke in den ersten neun Monaten nach Anteilen Dritter einen Verlust von 983 Millionen Euro.

Der Konzern ist laut Hiesinger in "weit fortgeschrittenen Verhandlungen" mit einem führenden Bieter zum Verkauf der Übersee-Stahlwerke. Der Verkaufsprozess ziehe sich länger hin als ursprünglich erwartet. Dies sei verständlich, da die Bieter einen vollständigen Hochlauf des Hochofens 2 in Brasilien erwarteten. "Dieser war durch Prozessinstabilitäten ab Mai dieses Jahres beeinträchtigt. Zudem sind die Verhandlungen hochkomplex und werden durch die vor Jahren gewählten Vertragskonstruktionen erschwert." Beteiligt an den Gesprächen seien der Miteigentümer des Werks in Brasilien Vale, die brasilianische Entwicklungsbank BNDES und brasilianische Regierungsstellen. Ein zeitnahes Signing wird weiterhin angestrebt. Die Formulierung "zeitnah" benutzt ThyssenKrupp bereits seit Mai dieses Jahres.

Favorit bei den Verhandlungen war zuletzt nach Angaben von Insidern der brasilianische Stahlkonzern CSN. Mit den Verhandlungen vertraute Personen hatten Reuters allerdings berichtet, dass dieser womöglich nur das Werk in den USA übernehmen will und Thyssen auf dem von Pleiten, Pech und Pannen geprägten Werk in Brasilien sitzen bleibt. Finanzchef Guido Kerkhoff sagte in einer Telefonkonferenz, der Konzern strebe weiter eine Lösung für beide Werke an. Bankenkreisen zufolge bereitet der mit über fünf Milliarden Euro verschuldete Konzern eine Kapitalerhöhung vor. Eine Kapitalerhöhung sei eindeutig eine Option für den Konzern, sagte Hiesinger den Analysten.

Das Unternehmen steckt in der tiefsten Krise seit der Fusion von Thyssen und Krupp im Jahr 1999. Nach Milliardenverlusten, Kartellverstößen und Korruptionsvorwürfen musste im Winter der halbe Vorstand gehen, wenig später auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme. Die Stahlwerke in Übersee sind seit Jahren ein Klotz am Bein. Die Werke haben mehr als zwölf Milliarden Euro gekostet - rund zwei Drittel davon entfallen auf die Anlage in Brasilien. Das Konzept, in Brasilien billig Rohstahl zu produzieren und in den USA weiterzuverarbeiten, ging nicht auf. Nach diversen Abschreibungen hatte ThyssenKrupp die Anlagen auf 3,4 Milliarden Euro abgeschrieben.

Auch das europäische Stahlgeschäft schwächelt - wie auch bei Weltmarkführer ArcelorMittal und dem deutschen Branchenzweiten Salzgitter. ThyssenKrupp war am Wochenende erneut Spekulationen entgegengetreten, er wolle sich vom europäischen Stahlgeschäft trennen. Das Geschäft konnte im zwar im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahr zulegen. Nach neun Monaten liegt das bereinigte Ebit aber bei 101 Millionen Euro nach 184 Millionen Euro im Vorjahr.

Hiesinger steuert gegen die Geschäftseinbußen mit Beteiligungsverkäufen und einem Stellenabbau gegen. Er will in der Verwaltung 3.000 Jobs streichen, in europäischen Stahlgeschäft will er 2.000 Stellen abbauen. Rund 1.800 weitere könnten durch Beteiligungsverkäufe aus dem Konzern fallen. Insgesamt peilt der Manager bis 2014/15 Einsparungen von zwei Milliarden Euro an. Dem Konzern droht allerdings per Ende September wegen hoher Schulden eine Aufkündigung von Kreditlinien durch Banken, wie aus dem Zwischenbericht hervorgeht. ThyssenKrupp hatte danach einen Anstieg des Verhältnisses der Netto-Finanzschulden zum Eigenkapital (Gearing) auf 185,7 Prozent verzeichnet. Ist dies Ende September noch der Fall, könnten milliardenschwere Kreditlinien aufgekündigt werden.

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