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Schweizer Urteil zu Bankprovisionen könnte zur milliardenschweren Bombe werden
Börse Express: In der Schweiz wird gerade das Thema “Retrozessionen” diskutiert, das für Banken finanziell einschneidende Auswirkungen haben kann. Was genau ist denn darunter zu verstehen.
Simone Nadelhofer: Darunter sind sogenannte “Hidden Provisions”, Rückvergütungen, Bestandspflegekommissionen bzw. Kick-Back-Zahlungen zu verstehen. Zum Beispiel: Wenn Ihnen eine Bank ein bestimmtes Finanzprodukt empfiehlt oder vertreibt, so erhält die Beraterbank für diese Vermittlertätigkeit in aller Regel Geld vom Produkteanbieter. Und der Kunde ist in den meisten Fällen darüber nicht genügend aufgeklärt.
Börse Express: Ein System, das in Europa im Rahmen der Mifid II-Regelung ja verhindert werden soll.
Simone Nadelhofer:Ganz genau. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien und den Niederlanden sind Kick-back Zahlungen beim Vertrieb von Finanzprodukten bereits ganz verboten. Wie die genaue Regelung im Rahmen von Mifid dann aber aussehen soll, ist noch nicht geklärt. Grundsätzlich sollen aber Interessenskonflikte vermieden und Transparenz hergestellt werden, der Kunde muss über alle offenen bzw. versteckten Gebühren informiert sein.
Börse Express: Worüber hat jetzt das Bundesgericht entschieden?
Simone Nadelhofer:Im konkreten Fall ging es um die Klage eines Kunden der UBS. Diese verwaltete einerseits gegen Entgelt das Wertschriftenvermögen des Kunden und vertrieb andererseits Anlagefondsanteile für verschiedene Fondsleitungen, wofür die UBS Bestandespflegekommissionen erhielt. Der Kunde war der Meinung, dass ihm die UBS über solche Zahlungen Rechenschaft ablegen muss und ihm diese herauszugeben hat, selbst bei konzerneigenen Produkten. Diese Meinung hat das Bundesgericht geschützt. Grundlage seiner Entscheidung war das sogenannte Auftragsrecht – in Österreich dürfte die Situation im Übrigen sehr ähnlich sein. Das heißt, die Bank ist in ihrer Funktion als Auftragnehmerin unter Umständen verpflichtet, Zahlungen, die sie von Dritten im Rahmen der Erfüllung des Auftrags erhalten hat, herauszugeben.
Börse Express: Das wurde zuvor schon festgehalten.
Simone Nadelhofer: Das ist richtig. Neu ist, dass die Herausgabepflicht nicht nur im Rahmen der Vermögensverwaltung gilt. Sondern auch Banken, die konzerninterne Anlageprodukte oder solche von Drittanbietern vertreiben, müssen die Zahlungen dem Kunden rückerstatten, es sei denn, es handelt sich um eine Entschädigung für Leistungen der Bank, die nicht direkt im Zusammenhang mit dem Auftrag stehen wie z.B. Vertriebsdienstleistungen, die jedoch dokumentiert und aufgeschlüsselt werden müssen – was der UBS hier nicht gelang. Das heißt, auch Zahlungen für Produkte, die innerhalb derselben Bankengruppe vermittelt wurden, gehören dem Kunden. Außer der Kunde hat vorab explizit und in Kenntnis der Höhe solcher Zahlungen darauf verzichtet.
Börse Express: Das wird aber sicher in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgehalten sein...
Simone Nadelhofer: Das reicht in der Regel nicht, das würde nicht halten. Der Verzicht muss spezifisch sein, ein Betrag muss festgelegt sein oder zumindest bestimmbar sein.
Börse Express: Gilt diese Entscheidung nur für Anleger, die die Vermögensverwaltung komplett abgegeben haben oder auch für solche, die lediglich beraten wurden, die letzte Entscheidung aber selbst getroffen haben.
Simone Nadelhofer: Das sogenannte Auftragsrecht, auf der die fragliche Rechtsprechung basiert, gilt auch in der Beratung, sodass die Thematik hier identisch sein sollte. Dies wurde allerdings noch nicht höchstrichterlich bestätigt.
Börse Express:Nach diesem Urteil – müssten die Banken freiwillig die Provisionen refundieren?
Simone Nadelhofer: Eigentlich ja. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA hat die Banken im November öffentlich aufgefordert, die Kunden über die rechtliche Situation zu informieren und anschließend auf Anfrage über den Umfang der erhaltenen Rückvergütungen zu informieren. Das hat zu heftigen Debatten geführt, meines Wissens nach sind bisher wenige Banken dem nachgekommen. Außerdem müssen die Banken entsprechende Rückstellungen bilden.
Börse Express: Kann man sagen, in welcher Höhe?
Simone Nadelhofer: Das ist schwer zu sagen, zumal noch diskutiert wird, ob die Verjährung bei fünf oder zehn Jahren liegt. Aber es handelt sich wohl um Milliardenbeträge.
Börse Express: Was sind die Konsequenzen?
Simone Nadelhofer: Die Gebührenmodelle der Banken werden angepasst werden. Die Verwaltungsgebühren werden tendenziell steigen – auf dem Papier, da die versteckten Gebühren ja ebenfalls vom Kunden finanziert wurden. Dafür ist dann aus Konsumentensicht für Transparenz gesorgt.
Börse Express: Welche Möglichkeiten haben jetzt Kunden, ihre Rechte durchzusetzen?
Simone Nadelhofer: In der Schweiz gibt es das Institut der Sammelklage nicht. Allerdings sind Bestrebungen im Gange, Interessen der Anleger zu bündeln. Ansonsten steht jedem Kunden grundsätzlich der Prozessweg offen, das muss aber spezifisch beurteilt werden.
Das Interview führte Susanne Leiter.
(Aus dem Börse-Express pdf vom 18.07. 2013)
Simone Nadelhofer: Darunter sind sogenannte “Hidden Provisions”, Rückvergütungen, Bestandspflegekommissionen bzw. Kick-Back-Zahlungen zu verstehen. Zum Beispiel: Wenn Ihnen eine Bank ein bestimmtes Finanzprodukt empfiehlt oder vertreibt, so erhält die Beraterbank für diese Vermittlertätigkeit in aller Regel Geld vom Produkteanbieter. Und der Kunde ist in den meisten Fällen darüber nicht genügend aufgeklärt.
Börse Express: Ein System, das in Europa im Rahmen der Mifid II-Regelung ja verhindert werden soll.
Simone Nadelhofer:Ganz genau. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien und den Niederlanden sind Kick-back Zahlungen beim Vertrieb von Finanzprodukten bereits ganz verboten. Wie die genaue Regelung im Rahmen von Mifid dann aber aussehen soll, ist noch nicht geklärt. Grundsätzlich sollen aber Interessenskonflikte vermieden und Transparenz hergestellt werden, der Kunde muss über alle offenen bzw. versteckten Gebühren informiert sein.
Börse Express: Worüber hat jetzt das Bundesgericht entschieden?
Simone Nadelhofer:Im konkreten Fall ging es um die Klage eines Kunden der UBS. Diese verwaltete einerseits gegen Entgelt das Wertschriftenvermögen des Kunden und vertrieb andererseits Anlagefondsanteile für verschiedene Fondsleitungen, wofür die UBS Bestandespflegekommissionen erhielt. Der Kunde war der Meinung, dass ihm die UBS über solche Zahlungen Rechenschaft ablegen muss und ihm diese herauszugeben hat, selbst bei konzerneigenen Produkten. Diese Meinung hat das Bundesgericht geschützt. Grundlage seiner Entscheidung war das sogenannte Auftragsrecht – in Österreich dürfte die Situation im Übrigen sehr ähnlich sein. Das heißt, die Bank ist in ihrer Funktion als Auftragnehmerin unter Umständen verpflichtet, Zahlungen, die sie von Dritten im Rahmen der Erfüllung des Auftrags erhalten hat, herauszugeben.
Börse Express: Das wurde zuvor schon festgehalten.
Simone Nadelhofer: Das ist richtig. Neu ist, dass die Herausgabepflicht nicht nur im Rahmen der Vermögensverwaltung gilt. Sondern auch Banken, die konzerninterne Anlageprodukte oder solche von Drittanbietern vertreiben, müssen die Zahlungen dem Kunden rückerstatten, es sei denn, es handelt sich um eine Entschädigung für Leistungen der Bank, die nicht direkt im Zusammenhang mit dem Auftrag stehen wie z.B. Vertriebsdienstleistungen, die jedoch dokumentiert und aufgeschlüsselt werden müssen – was der UBS hier nicht gelang. Das heißt, auch Zahlungen für Produkte, die innerhalb derselben Bankengruppe vermittelt wurden, gehören dem Kunden. Außer der Kunde hat vorab explizit und in Kenntnis der Höhe solcher Zahlungen darauf verzichtet.
Börse Express: Das wird aber sicher in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgehalten sein...
Simone Nadelhofer: Das reicht in der Regel nicht, das würde nicht halten. Der Verzicht muss spezifisch sein, ein Betrag muss festgelegt sein oder zumindest bestimmbar sein.
Börse Express: Gilt diese Entscheidung nur für Anleger, die die Vermögensverwaltung komplett abgegeben haben oder auch für solche, die lediglich beraten wurden, die letzte Entscheidung aber selbst getroffen haben.
Simone Nadelhofer: Das sogenannte Auftragsrecht, auf der die fragliche Rechtsprechung basiert, gilt auch in der Beratung, sodass die Thematik hier identisch sein sollte. Dies wurde allerdings noch nicht höchstrichterlich bestätigt.
Börse Express:Nach diesem Urteil – müssten die Banken freiwillig die Provisionen refundieren?
Simone Nadelhofer: Eigentlich ja. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA hat die Banken im November öffentlich aufgefordert, die Kunden über die rechtliche Situation zu informieren und anschließend auf Anfrage über den Umfang der erhaltenen Rückvergütungen zu informieren. Das hat zu heftigen Debatten geführt, meines Wissens nach sind bisher wenige Banken dem nachgekommen. Außerdem müssen die Banken entsprechende Rückstellungen bilden.
Börse Express: Kann man sagen, in welcher Höhe?
Simone Nadelhofer: Das ist schwer zu sagen, zumal noch diskutiert wird, ob die Verjährung bei fünf oder zehn Jahren liegt. Aber es handelt sich wohl um Milliardenbeträge.
Börse Express: Was sind die Konsequenzen?
Simone Nadelhofer: Die Gebührenmodelle der Banken werden angepasst werden. Die Verwaltungsgebühren werden tendenziell steigen – auf dem Papier, da die versteckten Gebühren ja ebenfalls vom Kunden finanziert wurden. Dafür ist dann aus Konsumentensicht für Transparenz gesorgt.
Börse Express: Welche Möglichkeiten haben jetzt Kunden, ihre Rechte durchzusetzen?
Simone Nadelhofer: In der Schweiz gibt es das Institut der Sammelklage nicht. Allerdings sind Bestrebungen im Gange, Interessen der Anleger zu bündeln. Ansonsten steht jedem Kunden grundsätzlich der Prozessweg offen, das muss aber spezifisch beurteilt werden.
Das Interview führte Susanne Leiter.
(Aus dem Börse-Express pdf vom 18.07. 2013)