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Raiffeisen: „Mit einem KGV von 10,8 ist der ATX durchaus attraktiv bewertet"

„Die BIP-Ergebnisse des ersten Quartals für Zentral- und Osteuropa (CEE) waren durchaus gemischt, wenngleich die negativen Trends überwogen. Während Rumänien und Ungarn über den Erwartungen lagen, enttäuschten vor allem die großen Volkswirtschaften, wie Russland, die Ukraine, Polen und Tschechien. In Österreich entsprach die Stagnation unseren Schätzungen. 2013 weist das schwächste BIP-Wachstum seit dem Krisenjahr 2009 auf“, beginnt Peter Brezinschek, Leiter von Raiffeisen Research, einer Einheit der Raiffeisen Bank International AG (RBI), seine Analysen in der soeben erschienenen Publikation „Strategie Österreich & CEE“ zum dritten Quartal.

Auch im zweiten Quartal hat sich die Lage in CEE nur wenig geändert. Die meisten Industrie-produktionszahlen im Frühjahr sind Indiz, dass die Bodenbildung noch im Gange ist. Die Vorlauf-Indikatoren weisen aber leicht nach oben, sodass die Hoffnung auf leichte BIP-Zuwächse im zweiten Halbjahr weiter besteht. Von moderatem BIP-Wachstum kann aber erst 2014 gesprochen werden. „Wir haben die Prognosen für einzelne Staaten, wie etwa Russland oder die Ukraine, zurückgenommen, sodass die CEE-Region insgesamt mit rund 2,3 Prozent realem BIP-Anstieg auch im nächsten Jahr vom Potenzialwachstum signifikant entfernt bleibt. Österreich könnte 2014, unterstützt von Nettoexporten und privatem Konsum, bis zu 1,5 Prozent zulegen und sollte von der günstigen Lage in Deutschland profitieren“, so Brezinschek weiter.

Österreich: Senkung der Lohnsteuer vor allem über Ausgabenkürzungen

Da auch die Inflation in diesem Jahr in den meisten Ländern, außer in Russland und Rumänien, neue Tiefstände verzeichnet, können die Budgetkonsolidierungen nur unter erschwerten Bedingungen fortgesetzt werden. In Österreich ist es nur den überdurchschnittlichen Einnahmen-Zuwächsen, vor allem bei der Lohn- und Einkommensteuer, zu verdanken, dass die Budgetsalden 2013 und 2014 auf unter 3 bzw. 2 Prozent des BIP geschätzt werden. Auch die hartnäckig über der Eurozone befindliche Teuerungsrate von durchschnittlich 1,9 Prozent unterstützt die Einnahmenseite.

„Eine nach der Wahl aus unserer Sicht notwendige Tarifsenkung der Lohnsteuer muss daher vorrangig über Ausgabenkürzungen finanziert werden, um die Standortattraktivität zu erhalten“, sagt Brezinschek mit Blick auf die bevorstehenden Nationalratswahlen im September.

Kurzfristige Belastung der CEE-Währungen möglich

Der Zinssenkungstrend quer über die CEE-Region inklusive Türkei wurde auch durch die sehr expansive Geldpolitik der EZB begleitet. Der Inflationsrückgang ermöglicht noch weitere Leitzins-Ermäßigungen bis Jahresende, doch sowohl die globale Liquiditätsdiskussion als auch die erwartete Konjunktur- und Inflationswende lässt ein Ende der Zinssenkungen in den nächsten sechs Monaten absehbar erscheinen.

„Waren die abnehmenden Zinsdifferenzen bis ins Frühjahr noch von kurzfristigen Kapitalzuflüssen unterstützt, dürfte sich der Strom von „hot money“ kurzfristig umdrehen und die CEE-Währungen entsprechend belasten. Bis Jahresende sehen wir aber wieder etwas freundlichere Wechselkurse zum Euro“, sagt Brezinschek.

CEE-Aktienbörsen von negativem Emerging Market-Umfeld tangiert

Während die Renditerückgänge bei den meisten CEE-Staatsanleihen die positiven Seiten der globalen Liquiditätsversorgung widerspiegeln, sind die Aktienbörsen mehr vom negativen Emerging Market-Umfeld tangiert. Besonders betroffen sind die großen Börsen in Russland und Polen, während Ungarn, Kroatien und Rumänien noch ein leichtes Plus seit Jahresbeginn verzeichneten. „Die aktuelle Diskussion um eine Änderung der Politik der amerikanischen Fed wird sich auch in den CEE-Märkten bremsend niederschlagen. Die Börsen quer über Osteuropa dürften daher anfangs durch Korrekturphasen geprägt sein, die im weiteren Verlauf von 2013 mit aufhellenden Konjunkturerwartungen in einen freundlichen Jahresausklang münden“, skizziert Brezinschek seine Prognosen für das zweite Halbjahr.

Bei den Staatsanleihen wird der negative Einfluss der internationalen Kapitalströme durch die freundliche inländische Zinsentwicklung wettgemacht. Russische Staats- und Unternehmens- anleihen offerieren attraktive Ertragspotenziale auf drei bis 12 Monate. Polnische und rumänische Staatsanleihen sind auf drei bis sechs Monate ebenfalls eine Kaufempfehlung.

EU-Beitritt Kroatiens bietet langfristig Chancen für die Zagreber Börse

„Im ersten Quartal noch zum Top-Performer avanciert, musste der kroatische CROBEX10 im abgelaufenen Quartal kräftig Federn lassen. Die chronische Wachstumsschwäche mit einem bereits fünf Jahre andauernden konjunkturellen Abschwung belastet die Börse, und für 2013 erwarten wir einen BIP-Rückgang von 0,5 Prozent“, beginnt Brezinschek seine Analyse für
das neueste EU-Mitglied. „Der EU-Beitritt Kroatiens bietet aber durchaus langfristige Chancen
für die Zagreber Börse. Eine verbesserte Risikoeinschätzung des Landes, verbunden mit einer Beschleunigung des Konvergenzprozesses, dürfte langfristig Früchte in Form von vermehrten Kapitalzuflüssen aus dem Ausland bringen, auch wenn diese positiven Faktoren sich aktuell noch nicht auswirken.“

ATX-Ziel: 2.330 Punkte für Ende September, 2.550 Punkte bis Jahresende

Über die Sommermonate sehen die Analysten der Raiffeisen Centrobank (RCB) den österreichischen Aktienmarkt und die Börsen in CEE in einer Seitwärtsbewegung. Das ATX-Kursziel für Ende September liegt bei 2.330 Punkten, was einem Anstieg von ca. 5 Prozent im dritten Quartal entspricht. Bis Jahresende sollte sich die Dynamik noch etwas verstärken und der österreichische Leitindex auf 2.550 Punkte zulegen können. Auch wenn Renditen österreichischer, deutscher oder amerikanischer Staatsanleihen zuletzt kräftige Anstiege verzeichneten, unterstreicht Bernd Maurer, stellvertretender Chefanalyst der RCB, weiterhin die relative Attraktivität von Aktien gegenüber anderen Asset-Klassen: „Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,8 ist der ATX nach der jüngsten Korrektur auch durchaus attraktiv bewertet, und im Licht eines anhaltenden Niedrigzinsumfeldes können sich Bewertungskennzahlen im Jahresverlauf durchaus weiter erhöhen.“

Vor dem Hintergrund verhaltener Wachstumsaussichten in Europa verstärkten österreichische Unternehmen ihre Aktivitäten in den Wachstumsmärkten Asiens und Südamerikas oder in den USA. RHI, voestalpine, Semperit, Palfinger und Lenzing zählen zu den Unternehmen mit den höchsten Umsatzbeiträgen aus Emerging Markets.

Österreichische Aktien-Favoriten: RHI, Flughafen Wien, Lenzing

Das Company Research der RCB zählt zu den Favoriten unter den heimischen Aktien RHI, Flughafen Wien und Lenzing. Die positive Einschätzung zu RHI beruht nach wie vor auf der Ausweitung der Produktionsstandorte in Wachstumsmärkten (BRIC, USA) und den positiven Effekten aus der höheren Rückwärtsintegration. Der Selbstversorgungsgrad bei Magnesit beträgt nunmehr 80 Prozent. Die Kaufempfehlung für die Aktie des Flughafen Wien begründet Maurer insbesondere mit den sichtbaren positiven Effekten von Kosteneinsparungsmaßnahmen, wodurch die Inbetriebnahme des neuen Terminals „Check-in 3“ zu keinem Anstieg der operativen Aufwendungen führte. Zusätzlich sollten die zuletzt leicht enttäuschenden Passagierzahlen in den kommenden Monaten eine Trendverbesserung aufzeigen. Ebenso streicht die RCB Lenzing hervor, wo die jüngsten Kursrückgänge als fundamental nicht gerechtfertigt gesehen wurden. Außerdem rechnen die Analysten mit einer Stabilisierung der Viskosepreise von Lenzing.

CEE Top-Picks: Netia, Komercni Banka, Egis, Magnit

In Osteuropa zählen aktuell das polnische Telekomunternehmen Netia aufgrund von Übernahme-fantasie, die tschechische Komercni Banka als Profiteur des steigenden Renditeniveaus und der ungarische Pharmawert Egis aufgrund seines hohen Exposures auf dem stark wachsenden russischen Pharmamarkt zu den Favoriten. In Russland setzen die Analysten auf die lokal gehandelte Aktie des größten Einzelhändlers Magnit.

1Zentral- und Osteuropa (CEE) setzt sich aus den Regionen Zentraleuropa (CE) mit der Tschechischen Republik, Polen, der Slowakei, Slowenien und Ungarn, Südosteuropa (SEE) mit Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Serbien und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) mit Russland, der Ukraine und Belarus zusammen.