Siemens und Nokia denken über Töchterchten NSN nach
Siemens und Nokia suchen wenige Wochen vor dem Vertragsstichtag nach einer Zukunft für ihre gemeinsame Tochter Nokia Siemens Networks. Bevor der sechsjährige Joint-Venture-Vertrag Anfang April ausläuft, häufen sich Meldungen über Ausstiegspläne. Siemens will einem Bericht der "Financial Times" zufolge schon bald seinen Anteil auf unter 20 Prozent von bisher 50 Prozent drücken. Der Konzern wollte sich dazu am Montag nicht äußern. Erklärtes Ziel von Vorstandschef Peter Löscher ist es allerdings, sich aus dem Telekommunikationsgeschäft zurückzuziehen.
Siemens hatte zuletzt erklärt, es sei wichtig, dass die Trendwende bei NSN stabilisiert und das Unternehmen "strategisch gestärkt" werde. Nach verlustreichen Zeiten dürfte sich Nokia über die lange ersehnten Ergebnisbeiträge der Tochter freuen, zumal deren Zahlen voll in der Bilanz des finnischen Unternehmens konsolidiert werden.
Beiden Partnern stehen somit schwierige Verhandlungen ins Haus. Nach Ablauf der Vertragsfrist können sich beide Unternehmen ihre jeweiligen Anteile zum Kauf anbieten. Sollten sie ablehnen, steht ihnen ein Verkauf an Dritte frei. Allerdings dürfte es nur wenige Interessenten für die lange verlustträchtige NSN geben. Bereits 2011 hatte Siemens versucht, der US-Gruppe Gores und dem Finanzinvestor Platinum Anteile schmackhaft zu machen. Die Interessenten wandten sich jedoch ab, die Mütter schossen bei NSN weiteres Geld nach.
Eine dritte, einschneidende Sanierungsrunde hatte NSN in den vergangenen drei Quartalen in die schwarzen Zahlen gebracht. Der kurzfristige Erfolg hatte am Kapitalmarkt die Erwartung geweckt, NSN könnte nun zügig verkauft werden. Doch Siemens und Nokia sind sich uneins. Investmentbanker bringen immer wieder ins Spiel, NSN mit dem schwer angeschlagenen Konkurrenten Alcatel-Lucent zusammenzuführen. Doch Branchenexperten warnen davor, die beiden wackeligen Europäer zu einer Einheit im Kampf gegen asiatische Rivalen wie Huawei und ZTE zu formen. Großfusionen in der Branche hatten bisher selten Erfolg.
Zudem hat zumindest Siemens seine Not mit dem Spitzenpersonal von NSN. Firmenchef Rajeev Suri zog sich erst jüngst neuerlich den Zorn von Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser zu. Der Manager hatte kurzerhand seinen Finanzchef Marco Schröter ausgetauscht, den Kaeser erst vor zwei Jahren zu NSN gelotst hatte. In München sieht man dadurch die jüngste Erholung in Gefahr.
Suri und Kaeser lagen schon einmal über Kreuz: Als der Inder mit der Streichung von tausenden Stellen und mehreren Standorten in Deutschland vorgeprescht war, fing er sich einen öffentlichen Rüffel von Kaeser ein. NSN erhielt in der Folge anders als ursprünglich geplant seine Deutschland-Zentrale in München. Einer Siemens-Aufsichtsrätin zufolge drängte Kaeser seinerzeit auch auf eine Alternative zu Suri an der NSN-Spitze.
Der frühestmögliche Scheidungstermin im April könnte Insidern und Experten zufolge auch erst einmal folgenlos verstreichen. "Solange nichts passiert, geht das Joint Venture einfach weiter", sagte ein Siemens-Insider. Suri erklärte, es sei unwahrscheinlich, dass es bis zum Stichtag zu einer Entscheidung komme. Auf sein Geschäft habe dies keinen Einfluss, sagte er im Reuters-Interview am Rande einer Branchenmesse in Barcelona. Die jüngsten Umwälzungen in der globalen Mobilfunkbranche kämen ihm entgegen. Die Übernahme der amerikanischen Sprint Nextel durch die japanische Softbank und die anstehende Fusion der US-Tochter der Deutschen Telekom mit MetroPCS könne sich für NSN in Nordamerika als Vorteil herausstellen. Die Anbieter würden ihre Zulieferer konsolidieren. Im Geschäft mit den neuesten Breitbandstandard profitierten ohnehin die großen Netztechnikanbieter. "Die großen werden größer und die kleinen kleiner", sagte Suri.
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