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Viele Banken wollen EZB-Milliarden bald loswerden

Eine Billion Euro an Liquidität hatten sich Europas Banken in zwei großen Schlucken Anfang des Jahres gierig einverleibt von der Europäischen Zentralbank (EZB). Seitdem richteten viele Experten bange Blicke auf 2015, wenn 800 Banken nach drei Jahren Ersatz für diese Refinanzierungsmittel finden müssen. Doch bis zu einem Fünftel der gigantischen Summe könnte nach Schätzungen von Experten schon Anfang kommenden Jahres an die Frankfurter Währungshüter zurückfließen, dem frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem die Institute das Geld zurückzahlen dürfen. Viele werden wollen: denn das macht einen guten Eindruck, weil die Banken zeigen, dass sie nicht mehr am Tropf hängen, und weckt damit Vertrauen bei misstrauischen Investoren und Ratingagenturen. Rentenstratege Giuseppe Maraffino von der britischen Bank Barclays erwartet in den ersten Monaten 2013 eine "moderate und schrittweise Rückzahlung" der ersten 200 Milliarden Euro. Viele Experten gehen von einer regelrechten Welle zu Beginn aus, dann werde das Geld nur noch tröpfchenweise im Rahmen wöchentlicher Operationen bei der EZB ankommen, ehe es 2015 kurz vor Toresschluss erneut zu einem Ansturm kommen dürfte.

Los geht's am 30. Jänner: ab dann haben die Banken das Recht, wochenweise das Geld aus der ersten, 489 Milliarden Euro schweren Tranche zurückzugeben. Ab dem 27. Februar können dann die restlichen 529 Milliarden Euro zurück zur EZB fließen. Zu den Geldhäusern, die überlegen, gleich die erste Möglichkeit zu einer Teilrückzahlung zu nutzen, gehören Finanzkreisen zufolge die französischen Banken BNP Paribas und Societe Generale, die Bank Austria-Mutter UniCredit sowie Intesa Sanpaolo aus Italien. Das Versprechen von EZB-Präsident Mario Draghi, den Euro zu verteidigen und die folgende relative Ruhe an den Märkten, hatte ihnen die Gelegenheit gegeben, sich Refinanzierungsmittel zu besorgen. Doch viele mittelgroße Banken fehlt immer noch der Zugang zu den Märkten. Sie hängen weiter am Geldtropf.

Draghi wollte mit der unter dem Schlagwort LTRO bekanntgewordenen Geldspritze verhindern, dass die Euro-Schuldenkrise das Finanzsystem infiziert. Die meisten der Banken, die zugriffen, sahen die Geldflut aber nur als billige Versicherung. Doch als billig entpuppte sie sich nicht: Viele Institute geben das Geld nicht in Form von Krediten weiter, sondern legen es postwendend wieder bei der EZB an - zu Null-Zinsen. Wer sich zehn Milliarden Euro besorgt hat, zahlt dafür im Jahr rund 75 Millionen Euro Zinsen. Andererseits haben die Institute immer noch im Hinterkopf, dass sich die Euro-Krise wieder verschärfen und den Zugang zu privater Refinanzierung wieder verschließen könnte. "Banken, bei denen der Fall glasklar ist, die das Geld nur zur Sicherheit aufgenommen haben - und diese nicht gebraucht haben - werden die erste Gelegenheit zur Rückzahlung nutzen", sagte ein hochrangiger Notenbanker, der nicht genannt werden wollte. "Der Rest wird wohl von Woche zu Woche entscheiden."

Den Löwenanteil an der Billion hatten damals nach EZB-Daten Banken aus Spanien (350 Milliarden) und Italien (255 Milliarden) genommen. Doch viele haben sich dafür mit hochverzinslichen spanischen und italienischen Staatsanleihen vollgesogen - für sie kommt eine vorzeitige Rückzahlung kaum in Frage. Von den Spaniern könnten Experten zufolge wegen der schweren Rezession nur die stärksten wie Santander, BBVA oder CaixaBank 80 Milliarden Euro zurückgeben. Maraffino schätzt, dass die französischen Banken fast die Hälfte der 165 Milliarden tilgen könnten, die sie sich von der EZB geliehen hatten. UniCredit hatte Schätzungen zufolge 26 Milliarden Euro, Intesa Sanpaolo 36 Milliarden Euro erhalten. Deutsche Banken haben sich geschätzt 70 Milliarden Euro an EZB-Liquidität besorgt, die Commerzbank nach eigenen Angaben allein 16 Milliarden Euro, die Deutsche Bank Finanzkreisen zufolge fünf bis zehn Milliarden. Beide bedienten sich über ihre südeuropäischen Töchter, um die Refinanzierung dort in Einklang mit den vergebenen Krediten zu bringen, falls die Euro-Zone doch auseinanderbrechen sollte. Ob sie die erste Gelegenheit zum Ausstieg nutzen, wird deshalb bezweifelt.