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Staudner: Zögerliche Politik in Euroland verstärkt Abwärtsrisiken

Politische Entscheidungen gefragt

Die angespannte politische Entwicklung und die enttäuschenden Konjunkturdaten haben zu einer erneuten Verschärfung der Situation in Euroland beigetragen. Selbst wenn der Austritt Griechenlands durch den „guten“ Wahlausgang am 17. Juni (vorerst) abgewendet wurde, beschäftigt ein Gift- Cocktail aus hohen Zinsaufschlägen für spanische und italienische Anleiheemissionen, das unter der Immobilienblase leidende spanische Bankensystem und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung in Griechenland die Märkte. Inwieweit der EU Gipfel Ende Juni hier für eine Entspannung sorgen kann, bleibt abzuwarten. Der neuen griechischen Regierung wünschte der Staatspräsident viel Erfolg mit den bezeichnenden Worten: "Die Probleme, die vor Ihnen liegen, sind viele, und sie sind sehr schwierig." Angesichts einer deutlich verschlechterten Wirtschaftslage in Griechenland muss der mit den internationalen Geldgebern vereinbarte Hilfsvertrag geändert werden, und die Regierung will bei der Umsetzung des Programms um mehr Zeit ansuchen.

Der Streit um den richtigen Weg

In der Eurozone wächst zwar die Bereitschaft, die Sparschraube ein wenig zu lockern, doch Bundeskanzlerin Merkel stemmt sich vehement dagegen. Neuverhandlungen zwischen Athen und den Gläubigern über die Härte der Auflagen scheinen unumgänglich. Somit ist für eine heftige Debatte gesorgt. Da die Eurokrise zunehmend die Weltkonjunktur belastet, fordern die anderen G20-Länder Europa zu mehr Wachstumsinitiativen auf. Dem IWF stehen nach neuen Zusagen seiner Mitglieder nun mehr als eine Billion USD zur Verfügung, um angeschlagenen Staaten zu helfen. Der IWF fordert zudem ein aktives Eingreifen der EZB. Die EU entschied sich, im Kampf gegen die Staatsschuldenkrise, direkte Bankenhilfen aus EFSF und ESM zuzulassen.

US-Konjunktur schwächelt

Mit der Verlängerung der „Operation Twist“ bis Jahresende, welche die langfristigen Zinsen senken und mit tendenziell billigeren Krediten Konsum und Investitionen beleben soll, unterstützt die Fed die lahmende US Konjunktur. Sorge bereiten derzeit rückläufigen Frühindikatoren wie der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe, der im Juni auf 49,7 Punkte gesunken ist. Auch der „Philly-Fed-Index“, der als einer der wichtigsten regionalen Frühindikatoren für die US-Produktion gilt, ist im Juni überraschend auf minus 16,6 von minus 5,8 Punkten gefallen. Ein Wert über Null signalisiert, dass die Produktion wächst. Der Immobilienmarkt scheint hingegen die Talsohle zu durchschreiten, kann aber seine Schwäche nur zögerlich überwinden. Die Wohnbauinvestitionen steigen zwar seit gut einem Jahr wieder an, ein nachhaltiger Anstieg der Immobilienpreise ist aber nicht in Sicht. Ein Schwachpunkt ist immer noch der Arbeitsmarkt. Der Beschäftigungsaufbau flacht nach den Spitzenwerten im Jänner ab, und die Arbeitslosenquote ist im Mai auf 8,2 % gestiegen. Vor diesem Hintergrund senkte die Fed jüngst ihre Konjunkturprognose für 2012 auf Wachstumswerte zwischen 1,9 % und 2,4 %.

Rezession in der Eurozone

In Europa ist im 2. Quartal die Staatsschuldenkrise zurückgekehrt, nachdem die EZB zu Jahresbeginn mit ihren neuen 3-jährigen Refinanzierungsgeschäften für eine temporäre Atempause sorgte. Die Verschlechterung des konjunkturellen Ausblicks trug zusätzlich zur Verunsicherung bei. Die Einkaufsmanagerindizes für den Industriebereich liegen sowohl für den gesamten Euroraum (44,8 Punkte) als auch für die größten Volkswirtschaften der Eurozone (Deutschland 44,7 Punkte, Frankreich 45,3 Punkte, Italien 44,8 Punkte, Spanien 42,0 Punkte) im rezessiven Bereich und liefern noch keine Signale einer Stabilisierung. Zwar hält sich der deutsche Ifo-Index noch im soliden Bereich, doch der deutliche Rückgang der letzten beiden Monate und eine sehr schwach ausgefallene Erwartungskomponente verheißen auch hier für die Zukunft nichts Positives. Es hätte uns auch überrascht, wenn die exportorientierte deutsche Wirtschaft angesichts der wirtschaftlichen Probleme bei wichtigen europäischen Handelspartnern ihr Wachstumstempo halten hätte können. In den Eurozone-Peripherieländern ist seitens des privaten Konsums und der Investitionen angesichts steigender Arbeitslosigkeit und immer noch mangelnder Wettbewerbsfähigkeit kein Wachstumsbeitrag zu erwarten. Auch der staatliche Konsum wird in den Peripherieländern angesichts der notwendigen Haushaltskonsolidierung noch für lange Zeit negative Wachstumsbeiträge liefern. Nach einem negativen BIP-Wachstum von -0,3 % p.q. im 4. Quartal 2011 und einer roten Null im 1. Quartal 2012 droht die europäische Wirtschaft im 2. Quartal wieder stärker ins Minus zu rutschen. Für das Gesamtjahr 2012 ist in der Eurozone ein negatives Wirtschaftswachstum von -0,5 % zu erwarten, wobei die Abwärtsrisiken über-wiegen. Ein massives Konjunkturgefälle in Europa zwischen den Kernländern und der Peripherie wird auch in den kommenden Quartalen für Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion sorgen. Für 2013 gehen wir bestenfalls von einem sehr leichten Wirtschaftswachstum aus, da die notwendigen Budgetkonsolidierungen auch 2013 das Wachstum dämpfen werden.

Inflationsausblick entspannter

Neben den wenig erfreulichen Konjunkturmeldungen ist es zumindest auf der Inflationsseite zu einer Entspannung gekommen. Der Ölpreisrückgang hat die Inflationsrate der Eurozone auf 2,4 % im Juni reduziert. In den kommenden Monaten ist aufgrund der höheren Vergleichsbasis des Vorjahres und des schwachen Konjunkturausblicks mit weiteren Rückgängen der Teuerungsrate zu rechnen, sodass gegen Jahresende der Zielwert der EZB von 2 % erreicht werden sollte. Angesichts der schwachen Konjunktur ist die Preissetzungsmacht der Unternehmen gering und auch auf der Arbeitnehmerseite besteht angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in vielen EU-Ländern wenig Verhandlungsspielraum nach oben. Allerdings könnten die Konsolidierungserfordernisse der Staaten zu einer weiteren Anhebung von Steuersätzen und Gebühren führen, was die Teuerung etwas nach oben führt. Die Teuerungsrate ohne die volatilen Komponenten Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak sank in den letzten Monaten aufgrund der schwachen Konjunktur auf 1,6 %, wobei auch hier im 2. Halbjahr mit weiteren Rückgängen zu rechnen ist.

Japan kämpft sich zurück

Aufgrund der Wiederaufbauarbeiten nach der Erdbebenkatastrophe des Vorjahres kann die japanische Wirtschaft gegen den weltwirtschaftlichen Abwärtstrend spürbar zulegen. Mit der Wiederherstellung der im Vorjahr zweimal unterbrochenen Produktionsketten (Erdbeben in Japan, Flut in Thailand) erwarten wir eine weitgehende Normalisierung der Industrieproduktion. Die nur verhalten positiven Stimmungsindikatoren verdeutlichen aber, dass die Erholung mehr den Aufhol- und Normalisierungseffekten als optimistischen Konjunkturaussichten zu verdanken sein dürfte. Aus diesem Grund stützt die Bank of Japan die Konjunktur auch weiterhin mit einer sehr expansiven Geldpolitik. Nach dem Einbruch im Jahr 2011 sollte sich in diesem Jahr ein BIP-Wachstum von rund 2,5 % ausgehen. 

Konjunkturverlangsamung in China

Der chinesische Einkaufsmanagerindex für den Industriebereich wies im Mai einen Rückgang auf 50,4 Punkte auf, was zwar noch im expansiven Bereich liegt, aber die Wachstumssorgen anfeuerte. Zudem lagen im Jahresvergleich sowohl die Zuwächse bei der Industrieproduktion (9,6 %) als auch der Einzelhandelsumsätze (13,8 %) unter den Erwartungen. Positiv waren hingegen die Sachanlageinvestitionen mit einem Plus von 20,1 % und die Handelsbilanzdaten (sowohl Exporte als auch Importe stiegen mit 15,3 % p.a. bzw. 12,7 % p.a. stärker als erwartet). Die People’s Bank of China reagierte auf die konjunkturellen Abkühlungstendenzen mit einer Leitzinssenkung auf 6,31 % und zusätzlichen geldpolitischen Lockerungs-schritten. Der Rückgang der Inflationsrate auf 3 % erlaubt noch mindestens eine weitere Zinssenkung im 2. Halbjahr. Für Chinas BIP-Wachstum wird gemäß der offiziellen Ziele der Regierung ein Rückgang von 9,2 % im Jahr 2011 auf 7,5 % für 2012 erwartet.

Abkühlung in den Emerging Markets

Auch in den anderen Emerging Markets kam im 2. Quartal etwas konjunktureller Gegenwind auf, obwohl diese Länder im Vergleich zu den etablierten Märkten fundamental großteils wesentlich besser dastehen. Ein breit angelegter Abzug von Kapital aus den Emerging Markets war glücklicherweise noch nicht zu beobachten, obwohl neben der Staatsschuldenproblematik in Europa auch einige schlechte Nachrichten aus den Emerging Markets selbst auf die Stimmung drückten. In Brasilien verunsicherte beispielsweise ein ungewöhnlich deutlicher Rückgang des Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungsbereich die Investoren. Indiens Kreditwürdigkeit läuft Gefahr in den spekulativen High Yield Bereich abgestuft zu werden, und in Ungarn verzögern sich die Verhandlungen mit dem IWF hinsichtlich eines Hilfsprogrammes bereits um mehrere Monate. Trotz einer wirtschaftlichen Abkühlung weisen aber die meisten Emerging Markets dennoch ein höheres Wachstumspotential und eine geringere Staatsverschuldung als die Industriestaaten auf.