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Experten zur Liquidität an Wiener Börse: 'Existenzbedrohend, Rückfall in Steinzeit'

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Cafe BE: Im Juni hatten wir Langfristlows beim Umsatz. Wie sieht ein Asset Manager die Liquiditätssituation an der Wiener Börse, Herr Matejka?

Wolfgang Matejka: Es ist gibt zwei Erklärungsansätze, einerseits der Liquiditätsansatz, die Handelsfähigkeit, der Riskansatz, man muss aus Positionen auch wieder rauskommen. Zweitens der fundamentale Aspekt vs. dem Angst-Effekt. Man hat die Realwirtschaft und die Finanzwirtschaft, strukturell überlagend ist das regulatorische Umfeld, das dazu geführt geführt hat, dass zu viele Verkäufer in den Markt fliessen liessen, ohne dass ein Käuferäquivalent erzeugt wurde, weil man sich selbst nicht ersetzen konnte, zB bei einem Versicherer, der verkauft und nicht mehr kauft. Auch von der Typologie waren es eigentlich nicht mehr die fundamentalen Aspekte. Viele Wiener Titel sind einfach extrem billig. Die strukturelle Liquiditätssituation ist nicht nur durch Lösungsfremdheit von Politikern bestimmt, sondern auch durch Regulatorien. Es würde aber ein paar Jahre brauchen, bis das Zocker-Gespenst wieder verschwunden ist. Die Liquidität spielt für Asset Manager eine grosse Rolle, man hat auch gesehen, dass jene Fonds Redemptions hatten, die zu nah an der Benchmark sind. Das ist die Chance für die Alpha-Fonds. Barbell-Strategie macht direkt Sinn, die kleineren Werte kauft man sich über den Fonds, das ist eine echte Chance. Man kauft wieder Fondsmanager-Persönlichkeiten.

Cafe BE: Gibt es Titel, die Sie aufgrund mangelnder börslicher Liquidität anders angehen müssen?

Matejka: Es geht hier um die Gewichtung. Beispiel: austriamicrosystems ist ein grossartiges Unternehmen, es gefällt mir von der Bewertung her wirklich gut. Die Liquiditätsschwankungen gibt es aber trotzdem, wenn man so einen Titel noch dazu hoch gewichtet hat, schwankt der Fonds zu stark, das geht in Zeiten wie diesen einfach nicht. Man geht daher nicht auf zehn Prozent, sondern vielleicht auf fünf Prozent. Aufgeben darf man so eine Story aber nicht.

Cafe BE: Herr Neuwirth, Sie waren Analyst, sind jetzt ebenso Asset Manager. Wie sehen Sie das?

Roland Neuwirth: Die Wiener Börse ist in regelmässigen Zyklen immer wieder in, das war 1985, 1989/90, dann zuletzt 2006/07, seither sind wieder fünf bis sechs Jahre vergangen, wir erleben den Kater, sind von den Umsätzen her in die Steinzeit zurückgefallen. Vom Big Picture zum Thema Österreich sehe ich nichts, das darauf hindeutet, dass Wien wieder „in“ wäre, dass Leute aus London nach Wien kommen und sich Firmen ansehen. 2006/07 war es so, dass wir Wochen hatten, wo täglich Leute zu Gast waren. Ich sehe das auch nicht wieder kommen, ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels. Das Unverständnis und die Polemik der Politiker mit ihrem Hinhauen auf die Zocker, man kann das nicht mehr hören. Wir bewegen uns auf eine Phase hin, die schon sehr extrem ist. Keine Umsätze mehr, niemand redet mehr darüber, keine Börsegänge. Für Asset Manager ist es in so einem Umfeld aber leichter, Opportunitäten zu finden, das ist richtig.

Cafe BE: Was bedeutet der kleiner werdende Markt für die Teamgrössen der Analysten bzw. schichtet man Ressourcen zum Bondmarkt um?

Günther Artner: Es hat bei den Umsätzen einige Sondersituationen gegeben. Wenn man sich die Summen incl. OTC ansieht, dann ist es nicht ganz so wild. Die Wiener Börse hat ein grosses OTC-Problem, wir Analysten hängen halt hauptsächlich an den börslichen Umsätzen dran. Da wird einiges gecrossed, was dann nicht gemeldet wird, es sind weniger die Dark Pools, sondern klassisch OTC.

Cafe BE: Die Roadshows machen aufgrund der zurückgehenden Volumina auch schon Probleme, höre ich ...

Artner: Es ist ja auch so, dass heutzutage nicht einmal bei den Österreich-Roadshows, mit denen man in andere Länder fährt, die Einladungen wahrgenommen werden. Da bleiben Plätze leer, das Thema zieht einfach nicht mehr. Man muss es sagen, wie es ist. Für uns ist es existenzbedrohend, wenn so wenig Umsätze über die Broker laufen. Natürlich schichten wir teilweise Kapazitäten ins Bondresearch um. Titel, bei denen es sich überhaupt nicht mehr gerechnet hat, haben wir mit dem Research eingestellt. Die Bank hat ein Committment zur Wiener Börse, daher probiert man den Markt abzudecken. Die besten Volkswirtschaften in Zentral- und Osteuropa sind ja die Türkei und Polen, Märkte, in denen der Staat die lokalen Finanzmärkte unterstützt, zB, dass Fonds lokal investieren müssen. Das kann nicht EU-konform sein, aber es ist so, deswegen geht jeder an die Warschauer Börse. Wir waren mit der Zukunftsvorsorge zu brav und sogar das ist zurückgefahren worden. Ich fürchte, der österreichische Kapitalmarkt wird weiter an Bedeutung verlieren.

Neuhold: Es gibt strukturelle Faktoren, die auf Österreich wirken, die Leute investieren in Österreich ja nur dann, wenn die Liquidität da ist und auch Story vorhanden sind. Österreich ist nicht ganz oben auf der Liste, aber eine gute Story geht schon, eine Andritz, eine Lenzing, eine voestalpine. Für andere ist es schwierig geworden, weil die Market Cap nicht passt oder die Liquidität. Dazu kommen hausgemachte Probleme, die politische Situation passt nicht, und man muss auch sagen, dass die Gebührenstruktur der Börse ebenso ein Problem ist. Wenn wir über Chi-X gehen, zahlen wir 1-2 Basispunkte, über die Wiener Börse zahlen wir 4-5 Basispunkte.

Neuwirth: In Deutschland zahlt man 1 Basispunkt beim DAX.

Cafe BE: Euer Universum von 22 Österreich-Aktien, bleibt es dabei?

Neuhold: Ja, das ist ja auch die Vereinbarung mit der UniCredit. Man kann auch sagen, dass Kepler nicht an der Wiener Börse wäre, gäbe es diese Vereinbarung nicht.

Cafe BE: Wie sieht die aus?

Neuhold: Kepler ist Kooperationspartner für das Aktiengeschäft, wenn es Deals gibt’s wie Kapitalerhöhungen und Placements, sind wir der präferierte Partner.

Maxian: Hätte man 2006 zur CA IB gesagt, dass man in fünf Jahren das Aktiengeschäft zusperren würde, dann hätte jeder gesagt, Ihr seid verrückt. Die Liquidität ist sehr gering, da ist es schwer, Geld zu verdienen. Ein Markt braucht in einem gewissem Ausmass auch eine lokale oder private Beteiliung. Das mit der Zukunftsvorsorge war schon wichtig für die Österreich-Story, einfach dass probiert wird, ein nachhaltiges Publikum für den Markt aufzubauen. Das sind auch die Stories für Märkte, die funktionieren. Warum sollte sonst ein slowenisches Unternehmen an die Warschauer Börse gehen? Bei uns kommt dazu, dass brutal vermischt wird, dass alles Spekulation ist, auch wenn die Anlage der langfristigen Vorsorge dient. Das sind Bausteine, die auch international beachtet werden. Wien war früher die Proxy-Börse für Osteuropa, hatte das Zukunftsvorsorgemodell, da ging es um den politischen Willen, die Aktienquote etwas nach oben zu bringen. So etwas wollen Investoren hören, aber das gibt es leider nicht mehr.

Cafe BE: Gibt es bei der Valuation Abschläge für mangelnde Marktliquidität mancher Titel?

Neuhold: Ja, ich hab das berücksichtigt.

Neuwirth: War eigentlich immer so.

Maxian: Das rein bei der Fundamentalanalyse reinzurechnen, ist nicht ganz fair.



Für den BE fragte: Christian Drastil (Christian Drastil Communications).