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Praktiker - Bei der HV geht es um alles oder nichts

Für den deutschen Baumarktkonzern Praktiker geht es auf der Hauptversammlung an diesem Mittwoch (4. Juli) um alles oder nichts. Nach einem Verlust von mehr als einer halben Mrd. Euro im vergangenen Jahr droht dem einstmals zweitgrössten Baumarktbetreiber Deutschlands nach Angaben des Vorstands die Insolvenz. Um eine Pleite zu verhindern, will das Management den Aktionären schmerzhafte Zugeständnisse abringen: Sie sollen einer massiven Kapitalerhöhung zustimmen und zugleich einem neuen Kreditgeber Zugriff auf 15 Prozent der Firmenanteile gewähren.

Aufsichtsratschef Kersten von Schenck und der neu angetretene Vorstandsvorsitzende Kay Hafner dürften bei dem Treffen in Hamburg im Kreuzfeuer der Kritik stehen. Denn unter ihren Augen - auch Hafner sass lange im Aufsichtsrat - hat Praktiker den Weg eingeschlagen, der sich als Sackgasse erwies. An den Rand des Ruins manövrierte sich die Kette mit dem jahrelangen Slogan "20 Prozent auf alles, ausser Tiernahrung". Die Preisnachlässe lockten zwar Kundschaft an, liessen aber immer weniger Gewinn übrig. Als der Konzern die Aktionstage abschaffte, blieben die Kunden weg und das Geschäft brach ein. Im Ausland wurde der Konzern nach forcierter Expansion in Osteuropa und Griechenland von der Wirtschaftskrise kalt erwischt.

Die Wiener Fondsmanagerin Isabella de Krassny, die als Sprecherin der beiden Hauptaktionäre Semper Constantia und Maseltov rund 15 Prozent der Stimmrechte vertritt, will Schenck und Hafner am liebsten absetzen. Doch ihr Antrag, auf der Hauptversammlung den Aufsichtsrat neu zu wählen, wurde von Praktiker aus formalen Gründen abgeschmettert und scheiterte dann auch vor Gericht. Seitdem herrscht Waffenstillstand. Beide Seiten loten einen möglichen Kompromiss aus, parallel wirbt de Krassny bei Investoren für einen neuen, eigenen Sanierungsplan. Wenn es nach de Krassny geht, soll der frühere Chef von Deutschlands grösster Baumarktkette Obi, Andreas Sandmann, Hafner ablösen.

Trotz jahrelanger Versuche der Praktiker-Führung, das Ruder herumzureissen, wurde die Misere immer grösser. Mehrfach wurde der Kurs geändert, eine Marketingkampagne mit Ex-Tennisstar Boris Becker floppte und soll nun bis zum Jahresende eingestellt werden. Zuletzt wurden in weniger als zehn Monaten zwei Vorstandschefs ausgewechselt. Im Juli 2011 gab der langjährige Amtsinhaber Wolfgang Werner auf, nachdem sein "Wertsteigerungsprogramm Praktiker 2013" an der Börse Werte vernichtet hatte: Von Werners Verlustwarnung vor genau einem Jahr hat sich das Papier nicht mehr erholt. Es ist seitdem von 5,85 Euro auf rund 1,36 Euro abgestürzt und musste vom Nebenwerteindex MDax in den Kleinwerteindex SDax absteigen.

Werners Nachfolger, der als Karstadt-Retter gefeierte Sanierungsexperte Thomas Fox, verkündete die Schliessung unrentabler Baumärkte und einen Stellenkahlschlag. Er leitete auch den Umzug der Praktiker-Zentrale aus dem Saarland nach Hamburg ein, wo die erfolgreiche Konzerntochter Max Bahr sitzt. Doch gelang es Fox nicht, die für den Konzernumbau und die Aufrechterhaltung des Geschäfts veranschlagten 300 Mio. Euro aufzutreiben. Im Mai wurde Fox überraschend verabschiedet - verbunden mit einem weiteren Strategieschwenk: Hafner, eilig aus dem Aufsichtsrat an die Vorstandsspitze delegiert, dampfte das Sanierungsprogramm auf maximal 240 Mio. Euro ein. Max Bahr soll nun zur Hauptmarke ausgebaut werden und zahlreiche Märkte der Schwesterkette Praktiker übernehmen. Die umgeflaggten Filialen sollen damit statt Kampfpreisen mehr Beratung und Service bieten. Der Stellenabbau soll nun begrenzt werden, am Wochenende einigte sich der Konzern mit den Arbeitnehmern auf einen Sanierungstarifvertrag mit Gehaltskürzungen.

Einen Geldgeber präsentierte Hafner ebenfalls: Den US-Finanzinvestor Anchorage. Doch für einen 85 Mio. Euro schweren Kredit verlangt Anchorage Unternehmenskreisen zufolge nicht nur die Ertragsperle Max Bahr als Pfand. Ausserdem soll die Hauptversammlung den Amerikanern am Mittwoch das Recht auf bis zu 15 Prozent der Firmenanteile einräumen - für den Investor ein lukratives Geschäft, falls die Sanierung gelingt. Überdies sollen die gebeutelten Aktionäre selbst dem Konzern per Kapitalerhöhung 60 Mio. Euro zuschiessen - das ist fast so viel, wie Praktiker noch an der Börse wert ist. Und bis zu 95 Mio. Euro will der Vorstand bei Banken an Krediten und Bürgschaften lockermachen.

Nach Angaben von Vorstand und Aufsichtsrat steht Praktiker mit dem Rücken zur Wand und ist dem US-Investor ausgeliefert. Der Plan sei alternativlos, es sei kein weiterer Geldgeber in Sicht, heisst es in einem Schreiben an die Aktionäre. Den Anteilseignern würden "nicht in übermässigem Masse Einbussen abverlangt", werben Schenck und Hafner. "Dies gilt umso mehr, als die Gesellschaft andernfalls unmittelbar von der Insolvenz bedroht ist." (APA/Reuters)

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