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‘Andritz verfügt über bedeutende Wettbewerbsvorteile’

Börse Express: Anlageziel laut Fact Sheet ist absolutes Kapitalwachstum durch Investitionen in unterbewertete, erstklassige Unternehmen - was sehen Sie da als Benchmark – oder sind es die Null Prozent?

Matthew Benkendorf: Der MSCI Europe Index ist ein passender Benchmark für den Vontobel Fund – European Value Equity, da sich die meisten Kunden daran orientieren und dieser auch Industriestandard ist. Wir haben eigentlich keine Präferenz bezüglich der Benchmark, da wir unsere Investmententscheidungen unabhängig von der Indexzusammenstellung treffen. Unser Ziel ist es aber, den Referenzindex über einen vollen Marktzyklus mit geringerer Volatilität als der Markt zu übertreffen.

Börse Express: Im Prospekt steht auch, dass in aktienähnliche Wertpapiere investiert werden kann. Welche sind das, wie trägt das zur Performance bei und können/dürfen Sie auf eine Investitionsquote grösser 100 Prozent gehen?

Matthew Benkendorf: Wir halten vor allem Stamm- und Vorzugsaktien und versuchen möglichst vollständig investiert zu sein. Per 31.01.2012 war der Fonds zu 98,35 Prozent in Aktien und zu 1,65% in Liquidität investiert.

Börse Express: Wie sieht es mit Gegenparteienrisiko im Fonds aus - betreiben Sie z.B. Aktienleihen?

Matthew Benkendorf: Der Fonds betreibt keine Aktienleihe.

Börse Express: Aus welchem Investmentuniversum können Sie wählen und wie definieren Sie da unterbewertet?

Matthew Benkendorf: Wir führen regelmässig Screenings von über 10.000 europäischen Unternehmen durch. Dabei achten wir primär auf die Profitabilität. Der Reingewinn nach Steuern muss in der Regel mindestens 50 Millionen US-Dollar betragen. 500 dieser Unternehmen unterziehen wir einer intensiven Fundamentalanalyse. Daraus resultiert ein Anlageuniversum von rund 200 Unternehmen, die sich durch einen positiven Free Cashflow, einen geringen Verschuldungsgrad und hohe Gesamt- und Eigenkapitalrenditen auszeichnen. Bei einem unterbewerteten Unternehmen liegt der Kurs unter dem von uns berechneten inneren Wert. Diesen berechnen wir durch eine konservative Schätzung seiner künftigen normalisierten realen Ertragskraft. Wir sind aber keine Schnäppchenjäger, sondern auch bereit, einen vernünftigen Preis zu zahlen.

Börse Express: Und was zeichnet ein erstklassiges Unternehmen aus?

Matthew Benkendorf: Firmen, die interessant sind, verfügen im Idealfall über folgende Qualitäten: ein übersichtliches und einfaches Geschäftsmodell, ein erfahrenes Management sowie eine starke Bilanz. Sie müssen ihre Gewinne nachhaltig - das heisst über Konjunkturzyklen hinweg - steigern können.

Börse Express: Ein Beispiel bitte ...

Matthew Benkendorf: Im vierten Quartal 2011 haben wir eine Position in Glaxo SmithKline, einem britischen Pharmaunternehmen, aufgebaut. Das besondere an der Gesellschaft ist, dass sie in den nächsten Jahren weniger stark als ihre Mitbewerber unter der Konkurrenz durch Generika leiden wird. Glaxo erzielt ein Drittel der Umsätze in Schwellenländern und die Unternehmensleitung ist sehr auf Effizienz und eine Verbesserung der Forschungsaktivitäten bedacht.

Börse Express: Das Portfolio ist gespickt mit Konsumgüter-Grössen. Sind dort vorrangig erstklassige Unternehmen zu finden, die jetzt zufällig auch unterbewertet sind – gibt es logische Gründe dafür?

Matthew Benkendorf: Firmen wie Nestlé oder British American Tobacco profitieren von der wachsenden und kauffreudigen Mittelschicht in den Schwellenländern. Die Gewinnmargen dieser Firmen haben auch in einem Konjunkturabschwung Aufwärtspotenzial. Wann hat zuletzt ein Bierbrauer oder ein Nahrungsmittelkonzern geklagt, er müsse die Verkaufspreise senken?

Börse Express: Haben Sie einmal durchgerechnet, wieviel Emerging Marktes-Umsatz in dem Portfolio 'verborgen' ist?

Matthew Benkendorf: Nein, wir haben das nicht durchgerechnet, da das nicht der Fokus unseres Anlageansatzes ist. Wir wählen Unternehmen aus, die unsere Kriterien erfüllen. --new_page-- Börse Express: Haben Sie ein österreichisches Investment?

Matthew Benkendorf: In Österreich sind wir im Investitionsgüterunternehmen Andritz investiert.

Börse Express: Was gefällt Ihnen dort?

Matthew Benkendorf: Das Unternehmen gehört bei Anlagen und Dienstleistungen für die Hydropower, Papier und Zellstoff, Metall und anderen spezialisierten Industrien zu den führenden globalen Anbietern. Andritz verfügt über bedeutende Wettbewerbsvorteile, eine Bilanz mit hoher Liquidität, eine gute Corporate Governance und eine niedrige Kapitalintensität. Zudem ist Andritz dank ergänzender Akquisitionen gewachsen. Über die letzten zehn Jahre ist sein Gewinn je Aktie um 11% gestiegen.

Börse Express: Werden FX-Risken ausgeschaltet oder bewusst als Performancequelle in Kauf genommen?

Matthew Benkendorf: Wir sichern das Währungsrisiko nicht ab und deswegen ist es auch keine Performancequelle.

Börse Express: Was würden Sie als grösste „Wette“ im Fonds bezeichnen?

Matthew Benkendorf: Tabakfirmen wie Philip Morris International und British American Tobacco sind ein fester Bestandteil unserer Portfolios. Zu den Vorzügen der Zigarettenhersteller gehören tiefe Fixkosten, Wachstumschancen in Schwellenländern und eine grosse Markenloyalität der Konsumenten. --new_page-- Börse Express: Wie ist eigentlich europäisches Unternehmen definiert – Börsesitz, oder Unternehmenshauptsitz?

Matthew Benkendorf: Wir investieren in Firmen mit Sitz und/oder Geschäftsschwerpunkt in Europa.

Börse Express: Innerhalb eines Portfolios würden Sie diesem Fonds welchen Stellenwert einräumen?

Matthew Benkendorf: Der Vontobel Fund – European Value Equity ist eines der Hauptprodukte von Vontobel und wird wie alle Produkte aus der „Contemporary Value“ Boutique in New York verwaltet.

Börse Express: Ist jetzt ein guter Zeitpunkt einzusteigen, oder sollte der Anleger noch etwas warten? Wie ist Ihr kurz/mittelfristiger Börseausblick?

Matthew Benkendorf: Im laufenden Jahr müssen sich die Investoren auf ähnlich heftige Turbulenzen wie 2011 einstellen. Die ungelöste Euro-Krise, die Risikoaversion der Anleger und stotternde Wirtschaftsmotoren belasten die Stimmung. Zentralbanken, deren Notenpressen bereits auf Hochtouren laufen, können die Konjunktur nicht zusätzlich ankurbeln. Aber es gibt auch Hoffnungsschimmer. Die globale Wirtschaft schwächt sich zwar ab, die Zuwachsraten sind aber immer noch solide. Der gordische Knoten der europäischen Schuldenkrise könnte doch noch durchschlagen werden. Und - last, but not least - in den USA finden im Herbst Präsidentenwahlen statt. Ein US-Wahljahr ist traditionell günstig für Aktienmärkte.