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Portugal - Der nächste Pleite-Kandidat?

Griechenland ist nach Einschätzung von Investoren nicht der einzige mögliche Pleite-Kandidat der Euro-Zone. "Portugal ist in Gefahr", warnt ING-Rentenstratege Alessandro Giansanti. "Im zweiten Halbjahr dürfte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es für Portugal im nächsten Jahr unmöglich wird, weitere Bonds zu emittieren. Und dann werden wohl auch die Gespräche über ein neues Rettungspaket beginnen."

Auch für Michael Cirami, Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter Eaton Vance, steht Portugal mitten in der Schusslinie. Dabei sei unerheblich, ob sich Griechenland mit seinen privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt einigen könne oder nicht. Die entsprechende Vereinbarung soll Ende der Woche stehen.

Russ Koesterich, Chef-Investmentstratege der BlackRock-Sparte iShares, sieht Portugal in einer "Zwischenstellung zwischen Italien und Spanien auf der einen und Griechenland auf der anderen Seite". Die portugiesische Regierung habe zwar Reformen angestoßen. "Die Lohnstückkosten müssen aber deutlich sinken, damit die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wird", fügt Koesterich hinzu. Die große Frage sei nun, ob letzteres durchsetzbar sei.

Das Misstrauen der Anleger in die Zahlungsfähigkeit Portugals lässt sich unter anderem an den Anleihe-Renditen ablesen. In den vergangenen Wochen stiegen jene der richtungsweisenden zehnjährigen Papiere um vier volle Punkte, während die Renditen für die vergleichbaren Bonds aus Italien, Spanien oder Griechenland zurückgingen.

Am Markt für Kreditausfall-Versicherungen (Credit Default Swaps, CDS) steht Portugal bereits auf einer Stufe mit Griechenland. Dort verlangen die CDS-Emittenten von ihren Kunden für die Absicherung eines zehn Millionen Euro schweren Pakets portugiesischer Anleihen eine rekordhohe Anzahlung in Höhe von 4,2 Mio. Euro. Derartige Auftakt-Zahlungen werden üblicherweise nur bei CDS für Verbindlichkeiten von Staaten verlangt, die als am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehend betrachtet werden.

Für den Renten-Experten Filipe Silva von der Banco Carregosa signalisieren die Anleihe-Kurse, dass die Anleger langfristig mit einem Schuldenschnitt rechnen. "Ob es dazu kommt oder nicht, lässt sich aber noch nicht sagen. Denn Portugal hatte nicht genügend Zeit, um zu beurteilen, ob die Sparmaßnahmen den erhofften Erfolg haben." Vor diesem Hintergrund stellt Analystin Elisabeth Afseth von Investec Capital Markets die Frage: "Wird Europa Portugal diese Zeit geben?"

Nach Einschätzung der Analysten der Commerzbank ist die Staatengemeinschaft hierzu durchaus bereit. Schließlich hätten sich die Staats- und Regierungschefs darauf geeinigt, dem Land so lange finanziell unter die Arme zu greifen, bis es sich wieder selbstständig am Anleihe-Markt refinanzieren könne. "Damit ist die Brandmauer gegen die Staatsschuldenkrise wieder ein wenig höher geworden." Bei derzeitigem Stand müsste sich das Land ab der zweiten Hälfte 2013 wieder über langfristige Anleihen eigenständig am Bond-Markt refinanzieren. (APA/Reuters)