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Kaufsignal für Aktien? - "Ja"

„Wenn man keine Freunde mehr hat, kann man eigentlich nur an Popularität dazu gewinnen“, sagt Jeff Taylor, Head of European Equities bei Invesco, mit Blick auf europäische Aktien. Die Investment Community war noch selten so „europa-feindlich“ gestimmt wie in den vergangenen Monaten, wie ein Blick auf die Untergewichtung der Eurozone in den Portfolios zeigt. Für viele globale Investoren sei Europa bzw. europäische Aktien „mad, bad and dangerous to know“. Zu Unrecht, wie Taylor, zu Gast bei der Wiener Privatbank, und Alfred Reisenberger, Leiter des Asset Management der Bank, befinden.

Taylor ortet generell eine grosse Abweichung von Wahrnehmung und Wirklichkeit an den Märkten. So werde beispielsweise vielfach negiert, welche Schritte in den vergangenen Monaten in Spanien und Italien gesetzt worden sind. „Die Märkte vereinfachen viel zu oft“, sagt er und verweist auf die unterschiedlichen Fundamentaldaten. So kommt Italien 2011 etwa auf ein Budgetdefizit von geschätzten 3,6% des BIP, bei Spanien werden es 6% sein. UK hingegen kommt auf ein Defizit von 7,9%, die USA von knapp 11%.

Angesichts der gut verlaufenenen Anleihe-Auktionen von Italien und Spanien am Donnerstag sei mittlerweile aber vielleicht doch die Zeit gekommen, „dass es wieder in eine positivere Richtung“ geht, dass die sogenannten „risk on“ Tage wieder häufiger werden und die Oberhand über die „risk off“ Tagen gewinnen.

Sehen die beiden Veranlagungsexperten folglich ein Kaufsignal für europäische Aktien? Ein klares „Ja“ kommt von Taylor und Reisenberger. „Für langfristige Anleger ist die Börse sehr interessant“, so der Invesco-Mann. Natürlich werde es weiterhin Schwankungen geben, auch seien bei weitem noch nicht alle Probleme gelöst. „2012 sollte aber ein positives Börsejahr werden. Es geht eher bergauf als bergab“, sagt Taylor.

Auf welche Branchen wird somit gesetzt? „In unseren Fonds verfolgen wir derzeit zwei grosse Ideen: Zum einen gehen wir von einer eher wachstumsarmen Welt aus und positionieren uns daher in defensiven Titeln, wie etwa Gesundheitswesen, Pharma, Telekom“, erklärt Taylor. „Weil wir an die Lösung der Eurokrise glauben, wollen wir aber gleichzeitig auch nicht zu defensiv werden“. Abhilfe schaffen etwa Finanztitel und Industriewerte. „Meistgeliebte“ Aktien, also jene Titel, die in den Beliebtheits-Rankings der Investoren ganz oben sind, versucht er hingegen eher zu meiden. „Nestlé etwa. Das ist ein super Unternehmen, aber einfach zu teuer“.

Austro-Favoriten

Taylor, der anlässlich seines Wien-Aufenthalts auch börsenotierte Unternehmen besucht hat, will sich in puncto Österreich-Favoriten nicht zu tief in die Karten blicken lassen. Die grösste Austro-Position in den Invesco-Fonds sei die Österreichische Post, auch Lenzing ist in einigen Fonds enthalten. Es gebe aber auch etliche andere Unternehmen, die ihm gefallen, deutet er mögliche weitere Investments an.

Alfred Reisenberger, der für die Wiener Privatbank zwei Fonds managt, setzt unverändert auf Finanzwerte. „Unsere grosse Wette sind Bankaktien. Hier nehmen wir auch bewusst die Volatilitäten in Kauf, diese sollten sich in den kommenden Monaten aber eher positiv zu Buche schlagen“. Weiters setzt er auf Zykliker, da „die Realwirtschaft besser ist als viele uns glauben lassen möchten“. So ist Reisenberger etwa ein Fan von Andritz und SBO, obwohl beide nicht mehr allzu billig sind. Versorger und allzu defensive Werte meidet er hingegen. „Ich denke, der Schalter ist einfach wieder mehr in ‘risk on’ umgelegt“. Reisenberger erwartet daher auch nicht, „dass wir in nächster Zeit wieder die 2011er Tiefs testen werden. Der Markt möchte nach oben. Da kann es dann sehr schnell gehen“.

Von der Diskussion rund um die Triple A-Bonitäten für Staaten halten beide Investmentexperten nicht viel. „Warum ist das so wichtig, wenn auch die USA kein Triple A (S&P hat gekürzt, Anm.) haben?“, so Taylor. „Vielleicht werden wir uns einfach daran gewöhnen müssen, dass das Triple A nicht mehr die höchste Bonitätsstufe ist“, so Reisenberger. An den Bewertungsrelationen unter den einzelnen Staaten werde sich aber nichts ändern. (bs)

Relevante Links: Österreichische Post AG