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Klamme Euro-Staaten können nicht mehr auf Banken bauen

UniCredit-Chef Federico Ghizzoni hat erst jüngst unmissverständlich klargemacht: Auf die Banken können die klammen Euro-Länder nicht mehr bauen, wenn sie im neuen Jahr ihre immensen Schuldenberge refinanzieren müssen und en masse neue Staatsanleihen auf den Markt werfen. "Ich sehe keinen Sinn darin, die Bonds zu kaufen", erklärte der Top-Banker. Zwar hat die Bankenbranche fast eine halbe Billion Euro abgerufen, als die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch erstmals eine ultralange Kreditlinie auflegte. Doch wenn die ausgetrockneten Institute nach dieser herbeigesehnten Kapitalspritze überhaupt noch überschüssige Liquidität hätten, dann werde das Geld in Darlehen für Unternehmen fließen, um die befürchtete Kreditklemme zu verhindern, betonte Ghizzoni.

Ghizzonis Worte sind eine Kampfansage an die europäischen Politiker. Sie hoffen, dass das billige EZB-Geld am Ende vor allem den angeschlagenen Schuldenstaaten hilft. Allein im Jänner müssen die Euro-Staaten 80 Mrd. Euro an Bonds verkaufen. Die Banken waren über Jahrzehnte verlässliche Abnehmer, vor allem von Staatsanleihen ihrer Heimatländer. Die italienische Unicredit etwa hat Italien-Bonds im Volumen von rund 40 Mrd. Euro in ihren Büchern. Theoretisch könnte sich die Bank das EZB-Geld nun zu einem Prozent leihen und bei zehnjährigen italienische Anleihen Renditen von bis zu sieben Prozent einstreichen.

Doch Investoren haben Zweifel, ob Italien seine Schuldenlast in den Griff bekommt. Seit private Gläubiger bei Griechenland zur Kasse gebeten wurden und milliardenschwere Abschreibungen anfielen, haben europäische Staatsanleihen ihren Status als sichere Anlageklasse verloren. Weitere Belastungen sind kaum kalkulierbar, möglicherweise müssen die Bonds künftig sogar mit Eigenkapital unterlegt werden. "Wenn dich die Investoren ständig fragen, was du in deinen Büchern hast, und der Vorstand eher will, dass du die Anleihe-Bestände runterfährst, dann ziehen wirtschaftliche Argumente nicht mehr", sagt ein Finanzexperte von einem der größten europäischen Geldhäuser.

Hinzu kommt, dass die Banken selbst in größter Refinanzierungsnot stecken, da sie sich aus eigener Kraft kaum mehr frische Mittel verschaffen können. Europas Geldhäuser müssen im neuen Jahr 725 Mrd. Euro refinanzieren. "Besonders im ersten Quartal wird es bei der Refinanzierung eng werden", warnte in dieser Woche sogar EZB-Präsident Mario Draghi. Bei großen Namen wie Unicredit, BNP Paribas, oder HSBC werden jeweils Schulden über 30 Mrd. Euro und mehr fällig, wie die Analysten von Nomura unlängst vorrechneten.

Gewaltige Summen - da sei sich jeder selbst der Nächste, sagen viele Banker hinter vorgehaltener Hand. "Die Häuser brauchen die EZB-Liquidität, um ihre eigene Refinanzierung im nächsten Jahr durchzustehen. Genau dahin wird das Geld fließen", sagt der Kapitalmarktchef einer europäischen Großbank. Dass die Institute ihre Staatsanleihen-Bestände ausbauen, sei reines Wunschdenken der Politik. Die Reduzierung der Bestände sei in vollem Gange. "Die Banken müssen Bilanzen kürzen. Wer jetzt aufstockt, der stürzt sich nur noch tiefer in die Krise."

Ob die großen internationalen Fondsgesellschaften die Euro-Staaten am Ende retten können, ist ungewiss. Auf der Suche nach satten Renditen für ihre Kunden stehen manche Häuser zwar schon wieder in den Startlöchern für Peripherie-Bonds, da deutsche und britische Papiere kaum noch etwas abwerfen. Das machte unlängst etwa die Deutsche-Bank-Tochter DWS klar. Und auch State Street Global Advisors denkt ähnlich, wie der oberste Anleiheexperte Kevin Anderson betont. Bei Italien-Anleihen greife er schon wieder zu, bei Spanien-Bonds stehe er kurz davor. "Die Bewertungen sind da jetzt sehr viel interessanter."

Allerdings warten auch diese Investoren darauf, dass die europäische Politik die Schuldenkrise endlich nachhaltig in den Griff bekommt. Dem Bekenntnis zu mehr fiskalpolitischer Integration vom jüngsten EU-Gipfel müssten nun konkrete Taten folgen, heißt es unisono. So lange dies nicht passiere, sei alles eine große Wette, sagt Kathleen Gaffney, Portfoliomanagerin beim Fondshaus Loomis Sayles, die auch schon wieder Bonds aus Portugal und Griechenland kauft. "Wenn wir falsch liegen, dann verlieren wir natürlich. Aber ehrlich gesagt: Wenn das hier schiefgeht, dann verlieren wir alle." (APA/Reuters)