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Frankenkredite: "Zinsersparnis darf nicht konsumiert werden"

Börse Express: Worauf führen Sie das österreichische Phänomen der Fremdwährungskredite (FWK) - insbesondere der Frankenkredite - zurück?
Gerhard Massenbauer: Es war ein Produkt, das sehr viele Vorteile bringt. Einer davon war die Flexibilität, die dieser Finanzierungsform zu eigen ist. Es wurde auch in Deutschland - vor allem im süddeutschen Raum - verkauft, aber viel weniger und wenn, dann an wohlhabende Kunden, die das finanziell aushalten. In Österreich wurde es viel mehr an Kunden verkauft, die es nicht verstanden haben, oft auch, weil es schon der Verkäufer nicht verstanden hat.

Wie war die ursprüngliche Idee, die Ihr Vater, Johann Massenbauer, 1993 hatte und wie hat sich der FWK dann weiterentwickelt?
Ausgehend von der Finanzierung einzelner Mitglieder der Wiener Philharmoniker in Japan gegen Yen, wurde das Produkt dann von uns für Kunden mit guter bis sehr guter Bonität unter langfristigen und Zinsersparnis-Aspekten weiterentwickelt.

Womit begann dann das Problem?
Es begann damit, als das Wort Zinsersparnis für die Kunden keine Bedeutung mehr hatte. Die Zinsen wurden nicht auf die Seite gelegt, sondern konsumiert. Zinskonsum wurde von uns aber nie betont und auch nie in die Richtung beraten.
Wie wurden die FWK dann zu einem grossen Geschäft?
Weil auch freie Vermittler, Vermögens- und Bankberater, die das Produkt nicht verstanden, sahen, dass man damit gut Versicherungen verkaufen konnte.

Was hat es mit der Beratung zu den Tilgungsträgern auf sich?
Die Banken haben vor zehn Jahren mit Renditeprognosen von jährlich 8-9% brutto gearbeitet, wir dagegen nur mit 6%. Nun gut, da kommen jetzt vielleicht nur mehr 3% heraus. Das heisst, man hat einen Minderertrag aber keinen Verlust. Man wird statt 100% nur 75% am Ende ausbezahlt erhalten. Aber man hat ja auch nur 60% eingezahlt.

Sie sprechen die Zinsersparnis an?
Genau. Die Differenz sind die Zinsen, die man sich durch den Frankenkredit im Vergleich zum Eurokredit erspart und dies gibt es weiterhin. Ausserdem hatten die meisten vor zehn Jahren bei der Aufnahme des Kredites nominal weniger Einkommen als heute und werden auch zum Tilgungszeitraum nominal mehr Einkommen haben. Am Ende sind 20 Jahre Inflationsraten wirksam und das Kreditnominale ist nur mehr 50% dessen wert, was es ursprünglich wert war. Ich behaupte ganz einfach, die 25% Differenz auf die 100% frisst mir die Inflation weg.

Wie war das eigentlich mit der Zinserwartung bei Aufnahme des Kredits?
Euro- bzw. Schillingkredite kosteten damals um die 8%. Zwischen 1980 und 2000 waren diese Zinsen nie unter nominal 6%. Ein Frankenkredit kostete 5,7% und das haben wir für unsere Kunden auch für die nächsten Jahre angesetzt. Im Schnitt war das eine Ersparnis von zwei Prozentpunkten pro Jahr. 20% Ersparnis auf 10 Jahre und 40% auf 20 Jahre, das war der Zweck eines Frankenkredites. Eigentlich hat man aber um 30% weniger Zinsen gezahlt, als man erwartet hat. Also wenn man diese Ersparnis auf die Seite gelegt hat, was hat man dann für ein Problem, wenn der Tilgungsträger um 25% weniger erwirtschaftet, als erwartet wurde. Das hat man, wenn man die ersparten Zinsen konsumiert hat.

Gibt es denn dann noch eine Chance für diese Kreditnehmer?
Ja, wenn man die weiterhin ersparten Zinsen auf die Seite legt und damit seine Flexibilität erhöht. Flexibilität heisst, die Fähigkeit nachhaltig zu tilgen.

Welche Hintergründe gingen mit der Empfehlung der FMA und OeNB an die Banken einher, keine FWK mehr zu vergeben?
Die Banken haben es - vor allem in Osteuropa - übertrieben und nun sitzen sehr viele Kreditnehmer dort auf wirklichen Bomben. Forint und Zloty haben sich gegen Euro zusätzlich abgeschwächt, was es Ungarn und Polen unmöglich macht, diese Kredite innert der Laufzeit rückzuführen. Die Banken sind aber wegen Refinanzierungsschwierigkeiten kaum mehr in der Lage, Franken in beliebiger Menge zu leihen. Und das macht die Situation so brisant. OeNB und FMA befürchteten, dass die Banken echte Probleme bekommen, weshalb sie sie motivieren, möglichst viel Fremdwährungsvolumen möglichst rasch rückzuführen.

Welches wirtschaftliche Szenario rechtfertigt derzeit einen Tausch in einen Eurokredit?
Nur die Gewissheit, dass 30% Wechselkursnachteil realisiert werden und der Verlust künftig nicht mehr werden kann. Klüger wäre es gewesen, die Kunden bereits in den letzten Jahren aussteigen zu lassen, was allerdings nur mit Rückkehrrecht in einen Frankenkredit sinnvoll gewesen wäre. Das war aber in den letzten drei Jahren nicht mehr möglich. Die Banken haben das System zuerst zu gross gemacht und dann erstarren lassen. Man kann diese Erstarrung aber lösen, wenn man begreift, dass es den Banken nur um sich selbst geht aber nicht um die wirtschaftliche Seite des Kunden oder dessen Risiko.

In welchen Fällen würden Sie nach Konvertierung in Euro zu einer Laufzeitverlängerung raten und wann wird diese Variante auch von den Banken befürwortet?
Für die Banken kann ich nicht sprechen, generell bedeutet das eine Erhöhung der Gesamtbelastung und nur die aktuelle Rate wird leistbarer. Für Kredite mit einer Restlaufzeit (RLZ) von zwei Jahren könnte es Sinn machen. Bei längeren RLZ wird es aber problematisch, wenn Kunden merken, dass die Zinsen im Euro früher und stärker steigen werden als im Franken oder Yen.

Was sagen Sie zu den Ratschlägen von Konsumentenschützer Kolba: Risiko reduzieren (Umwandlung in Abstattungskredit, Sondertilgungen), Bankberatung einholen und bei Konsumentenschützern gegenchecken?
Beratung zu suchen ist generell sinnvoll, doch trifft man in Banken kaum je auf Spezialisten und beim VKI kommt es sicher auch drauf an.

Kürzlich wurde auch über neue rechtlich umstrittene "Methoden” der Banken informiert. Um ihr Risiko zu senken, würden vereinzelte Banken entweder ihre höheren Refinanzierungskosten als Basis für eine Anhebung der Zinsen anwenden oder den bereits im Vertrag vereinbarten Aufschlag (Anm.: Libor + Aufschlag) erhöhen. Was sagen Sie dazu?
Wer einen Aufschlag über dem Libor vereinbart hat, sollte dieses Problem nicht haben. Ich halte das im Normalfall für einen Vertragsbruch.

Wie stehen Sie zur Meinung von manchem Bankberater, das Modell Endfälligkeit sei nicht mehr zeitgemäss?
Tatsache ist, dass es nicht um das Modell geht - Endfälligkeit ist die beste Form der Inflationsnutzung - als vielmehr um den Mangel an Bereitschaft dieses Modell auch zu bewirtschaften.

Ausgehend von drei Szenarien, RLZ des Kredits 2, 5 und 10 Jahre (bzw. darüber) und einem europäischen Aktienfonds als Tilgungsträger, wozu würden Sie einem Kreditnehmer mit durchschnittlicher Bonität raten?
Ein reiner Aktienfonds ist kein Tilgungsträger, sondern bestenfalls eine Beimischung in einem Anlageportfolio. Ein Tilgungsträger muss geeignet sein, auf eine gewisse Laufzeit eine bestimmte Verzinsung zu erbringen. Bei einer Aktie oder einem Aktienfonds ist keine bestimmte Verzinsung möglich. Auch Garantieprodukte sind keine Tilgungsträger, weil die Banken als Garantiegeber in Konkurs gehen können. Am Ende des Tages kommen nur gemischte Fonds mit einem überwiegenden Anteil mittel- und hochverzinster Anleihen und einem kleinen dynamisch gemanagten Anteil an dividendenstarken Aktien als Tilgungsträger in Frage.

Und wie ist das mit den drei Szenarien?
Wer länger als fünf Jahre RLZ hat, darf eine höhere Aktienquote haben. Bei zwei Jahren würde ich aktuell raten, zu verkaufen. Bei einer RLZ von fünf Jahren würde ich jedenfalls auch raten, die Aktienquote zu reduzieren.

Sie haben sich ein neues Konzept überlegt?
Ja, ich zeige nicht nur mit der Risikokeule wie die Banken, ich biete auch einen Ausweg an. Ich stelle das von mir erdachte FirstForexConcept in kostenpflichtigen Workshops meinen Kunden, Fremdkunden und auch Kollegen vor. Am Ende des Seminars teile ich sieben Seiten mit Fragen und den dazugehörigen Antworten aus. Wenn einem Teilnehmer das Konzept gefällt und er das Geschäft durchführen möchte, muss er mir vorher in einem schriftlichen Test beweisen, dass er das Konzept verstanden hat.

Warum ist die Selbstkontrolle notwendig?
Weil dieses Konzept so hochspekulativ ist wie der - wie man jetzt weiss - hochspekulative Kredit. Es ist gewissermassen ein Ausgleich des Risikos.

Wie soll das Konzept helfen?
Es dient zur Absicherung für den Fall, dass die Schweizerische Nationalbank die EUR/CHF-Untergrenze bei 1,20 aufgibt und der Franken in der Folge stark aufwertet. Dabei würde der Frankenkredit wieder zur spekulativen Bombe.

Es ist also ein Devisenhandelsgeschäft?
Ja, auf Marginbasis. Die dänische SaxoBank, mit der wir zusammenarbeiten, erlaubt als Devisenhandelsbank Hebelgeschäfte - also Kaufaufträge, die ein Mehrfaches des bei ihr hinterlegten Geldes ausmachen.

Wie gross ist der Hebel?
Es ist ein Hebel von 20, was bedeutet, dass man fünf Prozent der Kreditsumme als Margin auf ein Konto einbezahlt.

Wofür bezahlt man Sie dabei?
Wir stellen für das Schockszenario Stop- oder Limitaufträge ins System der Bank, die bei Fallen der 1,20er Marke ausgelöst werden, um Gewinne mitzunehmen oder Verluste zu begrenzen. Online kann man sie nachvollziehen.