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S&P liefert Kritikern mit Rating-Panne neue Munition

Die ohnehin im Fadenkreuz der Politik stehende Rating-Agentur Standard & Poor's hat sich mit der irrtümlichen Herabstufung Frankreichs vollends in die Schusslinie ihrer Kritiker manövriert. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier kündigte am Freitag eine Untersuchung des "sehr ernsten Zwischenfalls" an und bekräftigte seine Absicht, die Agenturen enger an die Leine zu nehmen. Die französische Regierung zeigte sich "schockiert" und drohte ebenfalls Konsequenzen an. Die Panne stärkte auch die Entschlossenheit des deutschen Bundestages bei seiner Forderung an die Regierung, endlich die Macht der Agenturen zu beschneiden.

S&P hatte am Donnerstag irrtümlich einigen Kunden eine Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit mitgeteilt und damit Ängste vor einer Verschärfung der europäischen Schuldenkrise geschürt. Französische Staatsanleihen verbuchten kurz danach die größten Wertverluste seit Einführung des Euro. Auch an den Aktienmärkten in den USA und Europa löste die Nachricht Kursverluste aus.

Erst zwei Stunden nach dem Vorfall räumte die Agentur die Panne ein und sprach von einem "technischen Defekt", ohne jedoch die Ursachen des Fehlers zu erklären. S&P betonte zwar im gleichen Atemzug, dass Frankreich noch immer die Bestnote "AAA" mit einem stabilen Ausblick habe. Bei vielen Finanzexperten konnte sie damit jedoch nicht den Verdacht ausräumen, dass eine echte Herabstufung in Vorbereitung ist. "Wie kann so etwas passieren?", fragte Analyst David Ader, der bei der CRT Capital Group für Staatsanleihen verantwortlich ist. "Vielleicht haben sie nur ihr System getestet. Auf jeden Fall ist es ein Warnsignal."

Der Fehler hätte kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können - sowohl für S&P als auch für die Märkte. Viele Anleger zweifeln schon seit geraumer Zeit daran, dass Frankreich seine Bestnote in der Schuldenkrise noch lange verteidigen kann. Präsident Nicolas Sarkozy hatte erst am Montag weitere Milliarden-Einsparungen verkündet - mit dem erklärten Ziel, die Spitzenbonität zu erhalten. Der S&P-Rivale Moody's hatte die französische Regierung zuvor gewarnt, die Belastungen der Schuldenkrise könnten den Haushalt überfordern und deshalb eine Herabstufung nach sich ziehen.

Die Agenturen stehen besonders in Europa bereits schwer unter Beschuss, seitdem sie mit rosigen Urteilen zur Finanzkrise beitrugen und anschließend die Euro-Schuldenkrise mit der Herabstufung von Staaten verschärften.

Barnier zufolge belegt die Panne insbesondere die Verantwortung der Agenturen. "Dies ist umso wichtiger, weil es sich nicht um kleine Akteure auf dem Markt handelt, sondern um eine der drei wichtigsten Ratingagenturen." Sowohl französische als auch europäische Aufsichtsbehörden würden den Zwischenfall nun unter die Lupe nehmen und ihre Schlüsse ziehen, sagte Barnier. "Dies stärkt meine Überzeugung, dass in Europa eine rigorose, strikte und solide Überwachung der Ratingagenturen benötigt wird." Am Dienstag will Barnier hierzu einen Vorschlag für eine dritte EU-Richtlinie vorlegen.

In Deutschland beschloss der Bundestag mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition einen Entschließungsantrag, wonach sich die Regierung in der EU für eine zivilrechtliche Haftung der umstrittenen Agenturen und einen stärkeren Wettbewerb zwischen den Bonitätsprüfern einsetzen soll. Damit soll die Bedeutung der Ratingagenturen bei der staatlichen Regulierung der Finanzmärkte zurückgedrängt werden. Die Koalition sah sich durch die S&P-Panne bestätigt. "In der letzten Nacht haben wir einen Skandal erlebt", sagte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach. "Deswegen brauchen wir auch eine deutliche Haftung in diesem Bereich bei grob fahrlässigem Verhalten und bei Vorsatz von Ratingagenturen." (APA/Reuters)