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Telekom-Kursaffäre - Vorstand nach ominösem Kurssprung wiederbestellt

Im Februar 2004 sorgte ein überraschender Kurssprung für ein 9 Mio. Euro-Bonusprogramm für knapp 100 Manager der Telekom Austria, acht Monate später wurde dann der komplette Vorstand der Telekom wiederbestellt. Wobei es im Vorfeld durchaus Gerüchte gab, dass das Viererteam vollständig abgelöst wird. Vor allem Telekom-Chef Heinz Sundt soll beim damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (V) in Ungnade gefallen sein. Der Vertrag von Sundt wurde bis 2007 verlängert, 2006 wurde er dann aber frühzeitig - angeblich bei vollen Bezügen für die Restlaufzeit - von seinem Kronprinzen Boris Nemsic abgelöst.

Nemsic war zuvor Chef der boomenden Telekom-Tochter Mobilkom Austria, seine rechte Hand damals war der nunmehrige Telekomboss Hannes Ametsreiter, im Jahr 2004 hatte Ametsreiter noch die Funktion des Marketingleiters der Mobilkom inne. Seinem Marketingtalent verdankte er den Namen "Mr. A1".

Der gebürtige Kroate Nemsic machte 1980 seinen Abschluss zum Diplomingenieur der Elektrotechnik an der TU Sarajevo. 1990 promovierte er an der TU Wien, wo er von 1988 bis 1990 auch als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Nachrichten- und Hochfrequenztechnik tätig war. Von 1990 bis zu seinem Eintritt bei Mobilkom Austria leitete er die Abteilungen für Mobilkommunikationsentwicklung bei Ascom und Bosch Telecom in Wien, Solothurn (Schweiz) und Berlin. 1997 wurde Nemsic von Mobilkom Austria als Bereichsleiter Netzplanung engagiert. Ab November 1998 leitete er die kroatische Mobilkom-Tochter VIPnet. Im Mai 2000 wurde Boris Nemsic zum Generaldirektor der Mobilkom Austria, mit 1. Juli 2002 zum TA-Vorstandsmitglied bestellt und beerbte 2006 Sundt. Im Frühjahr 2009 wurde er von Ametsreiter abgelöst und ging zum russischen Telekomanbieter VimpelCom, wo er mittlerweile nur noch beratend tätig ist.

Sundt studierte an der Hochschule für Handel in Wien und begann seine berufliche Laufbahn 1967 bei der Länderbank. Von 1969 bis 1986 war Sundt bei IBM Österreich in führender Funktion im Marketing und Vertrieb tätig und leitete von 1986 bis 1989 die Division Telekom und Netzwerk-Services. 1989 wechselte er als Vertriebs- und Marketingleiter zur Mayr Melnhof-Tochter Neupack. Im Jänner 1996 übernahm Sundt die Unternehmensführung der TA-Tochter Mobilkom Austria, bevor er im April 2000 zum TA-Generaldirektor ernannt wurde.

Im Herbst 2004 wurde auch der Vertrag von Finanzvorstand Stefano Colombo verlängert. Dessen Wiederbestellung galt als Überraschung, zumal Colombo mit seiner Unternehmenspolitik vor allem bei den österreichischen Banken in Ungnade gefallen sein soll. Der gebürtige Italiener begann nach dem Wirtschaftsstudium 1986 seine Tätigkeit bei der Mediobanca, von 1990 an war er als Assistent des Finanzvorstands des Chemieunternehmens Enimont tätig, 1994 wurde er Finanzvorstand bei Olivetti Telemedia. Von 1996 bis 1999 war Colombo Geschäftsführer von Carrera Optyl in Linz, 1999 Finanzvorstand des Brillenerzeugers Marcolin. Im April 2000 wurde Stefano Colombo - damals noch auf dem Ticket des damaligen Sperrminoritäts-Aktionärs Telecom Italia - zum Generaldirektor-Stellvertreter und Finanzvorstand der TA bestellt.

Ebenfalls wiederbestellt wurde Festnetzvorstand Rudolf Fischer. Er begann nach dem Wirtschaftsstudium seine berufliche Laufbahn bei Alcatel Austria. 1983 übernahm er dort die Leitung des Rechnungswesens und der Steuer-Abteilung, 1988 zusätzlich die Verantwortung für das Controlling. Von 1989 bis 1993 war Fischer Geschäftsführer von AOSA, einem Joint Venture der Siemens und Alcatel Austria. 1994 wurde er Vorstandsvorsitzender der United Telecom Investment B.V. in den Niederlanden. Seit November 1998 ist Rudolf Fischer TA-Vorstandsdirektor. Mit Dezember 2001 übernahm er als Chief Operating Officer (COO) die Leitung des gesamten Wireline-Bereiches.

Laut Staatsanwaltschaft soll Fischer genauso wie Finanz-Vizechef Gernot Schieszler bei den Einvernahmen heuer auskunftsfreudig gewesen sein. Schieszler hat sich als Kronzeuge angeboten, ob er diesen Status auch erhält, hängt davon ab, wie sehr er "singt". Der heute 41-Jährige Schieszler sorgte Anfang 2009 für Aufsehen, weil er im Gespräch mit Investoren den Eindruck von Mobbing unkündbarer Telekom-Mitarbeiter erweckte. Der umstrittene Festnetz-Finanzvorstand verließ daraufhin per Ende Juni 2009 das Unternehmen.

Pikant dabei: Im Jahr 2003 referierte Schieszler vor Journalisten zum Thema Beratungsunternehmen. Seine Aussage damals: "Für die Leistungserbringung gibt es keine Transparenz." Schieszler war damals Mitbegründer des "Corporate Consulting Club", als deren designierter Präsident der Finanzvorstand Colombo fungierte. Zweck des CCC sei es, eine Plattform zu schaffen, um Unternehmen und Berater zusammenzuführen und die Transparenz am Beratermarkt zu erhöhen. Nun ist Schieszler ausgerechnet über die bei einer Hausdurchsuchung beim Berater Peter Hochegger gefundenen Telekom-Rechnungen gestolpert.

(APA)

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