, boerse-express
Die Kalkulation mit dem schwächeren Wachstum
Eine Verschlimmerung der Schuldenkrisen in Europa und den USA kann – gepaart mit den Turbulenzen der vergangenen Tage – auf dem Wirtschaftswachstum lasten und sich negativ auf das Investment-Verhalten auswirken.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht zwar derzeit keine dramatischen Folgen der weltweiten Börsenturbulenzen für die deutsche Realwirtschaft. Die Unternehmen seien "wirklich weltweit spitzenmässig aufgestellt" und man gehe "relativ kraftvoll" in die derzeitige Situation, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass das, was im Moment an den Börsen geschehe, wirklich unmittelbaren Einfluss auf die Weltkonjunktur habe. Der Chef des amerikanischen Autokonzerns General Motors hingegen warnt bereits vor einem Einbruch der US-Wirtschaft. "Es besteht die Gefahr einer neuen Rezession, und ich sehe das mit grosser Sorge", sagte Konzernlenker Dan Akerson der FTD.
„Aktuell ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, ob die jüngsten Debatten zum US-Budget, die Rückstufung der US-Bonität und der anhaltende Stress in der Eurozone sowie die aktuell hohe Volatilität ausreichen, um die zuletzt aufgetauchten Schwächen im globalen Wachstum in einen gefährlicheren Abwärtstrend ausarten zu lassen,“ meint Daniel Salter, Head of EMEA Equity Strategy der UniCredit.
Falls der jüngste Kursrutsch lediglich eine „normale“ Marktkorrektur in der Mitte eines Zyklus ist, dann „sollten wir bereits nahe dem Boden sein“. Die Märkte könnten sich stabilisieren, bevor sie im Herbst eine Rally hinlegen, so das globale Wachstum anzieht und bei der Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise Fortschritte verzeichnet werden. „Bei einem Double Dip der Wirtschaft könnten wir allerdings weitere Kursrückgänge vom aktuellen Niveau von rund 20% sehen. Und in einem Worst Case, der eine neuerliche Runde von schweren Verwerfungen an den Finanzmärkten inkludiert, wäre ein Abwärtspotenzial von 35% möglich,“ so Salter. Letzteres ist freilich nicht das Basis-Szenario.
Dennoch, wohin die Reise letztendlich geht, kann derzeit niemand sagen. Politik und Notenbanken spielen eine Schlüsselrolle für die weitere Entwicklung.
„Das aktuelle Niveau des Stoxx 600 entspricht einem globalen Wirtschaftswachstum von 2,5% im Jahr 2012, einem US-Wachstum von 1% und einem Forward-KGV von 10,4. Um das in Relation zu setzen: Das globale Wachstum befand sich auf diesem Niveau während der Rezession in den frühen 1990er Jahren, in der Rezession 2001 und während der Asienkrise im Jahr 1998,“ schreiben die Analysten des European Equity Strategy Research Team der Deutschen Bank. Sollte das US-Wachstum 2012 auf 0% fallen und das Forward-KGV auf unter 9x, dann könnten die Aktien vom aktuellen Niveau weg weitere 25% einbrechen, so die Experten. „Ein US-Wachstum von 2,2% im Jahr 2012 sollte aber ausreichen, damit Aktien Returns im niedrigen zweistelligen Bereich zeigen. Und das Aufwärtspotenzial wäre exorbitant, falls das US-Wachstum auf ein Niveau von 3% zurückkehrt und die Aktien dementsprechend neu bewertet werden.“
Aktuell bleiben die Equity-Strategen der DB vorsichtig optimistisch gestimmt: „Derzeit gehen wir davon aus, dass die Erholung anhält, aber wir werden die Vorlaufindikatoren genauestens beobachten.“
Mehr Klarheit - aber wann?
„Viele Investoren haben ihr zyklisches Exposure reduziert und warten auf mehr Klarheit. Insofern könnte das negative Sentiment im Markt in den nächsten Wochen noch anhalten,“ meint Berenberg-Analyst Stephan Klepp. In einem Update zu Aktien aus dem Capital Goods und Industrial Engineering Bereich verweist er darauf, dass die Unternehmen bislang keinen Rückgang der Geschäftsaktivität oder der Kundennachfrage sehen (das haben sie allerdings auch 2008 nicht, wie er selbst anmerkt).
„Angesichts der hohen Auftragsbestände in diesem Bereich sehen wir die 2011er Zahlen keinem Risiko ausgesetzt. In einem sich verschlechternden wirtschaftlichen Umfeld könnte sich das 2012 und 2013 ändern,“ so Klepp. Da aber das Ausmass eines potenziellen Abschwungs nicht einzuschätzen sei, bleibt Berenberg vorerst bei seinen Schätzungen und zählt Andritz (mit Kursziel 88 Euro) zu den Top Picks im Sektor.
Bei der Deutschen Bank wandern allerdings bereits einige Kursziele nach unten, jenes für Palfinger etwa von 25 auf 20 Euro, für Andritz von 80 auf 65 Euro. „Es ist noch verfrüht zu sagen, wie stark die anstehende Abschwächung der Nachfrage ausfallen wird, aber wir reduzieren unsere Umsatzerwartungen für 2012 und 2013 sowie die Margen signifikant,“ heisst es zu Palfinger.
Die Analysten der UBS wiederum haben die europäische Versorgerbranche unter dem Gesichtspunkt einer Wirtschaftsabschwächung unter die Lupe genommen und sehen im Durchschnitt 10% der für 2013 erwarteten Gewinne je Aktie gefährdet. (bs)
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht zwar derzeit keine dramatischen Folgen der weltweiten Börsenturbulenzen für die deutsche Realwirtschaft. Die Unternehmen seien "wirklich weltweit spitzenmässig aufgestellt" und man gehe "relativ kraftvoll" in die derzeitige Situation, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass das, was im Moment an den Börsen geschehe, wirklich unmittelbaren Einfluss auf die Weltkonjunktur habe. Der Chef des amerikanischen Autokonzerns General Motors hingegen warnt bereits vor einem Einbruch der US-Wirtschaft. "Es besteht die Gefahr einer neuen Rezession, und ich sehe das mit grosser Sorge", sagte Konzernlenker Dan Akerson der FTD.
„Aktuell ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, ob die jüngsten Debatten zum US-Budget, die Rückstufung der US-Bonität und der anhaltende Stress in der Eurozone sowie die aktuell hohe Volatilität ausreichen, um die zuletzt aufgetauchten Schwächen im globalen Wachstum in einen gefährlicheren Abwärtstrend ausarten zu lassen,“ meint Daniel Salter, Head of EMEA Equity Strategy der UniCredit.
Falls der jüngste Kursrutsch lediglich eine „normale“ Marktkorrektur in der Mitte eines Zyklus ist, dann „sollten wir bereits nahe dem Boden sein“. Die Märkte könnten sich stabilisieren, bevor sie im Herbst eine Rally hinlegen, so das globale Wachstum anzieht und bei der Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise Fortschritte verzeichnet werden. „Bei einem Double Dip der Wirtschaft könnten wir allerdings weitere Kursrückgänge vom aktuellen Niveau von rund 20% sehen. Und in einem Worst Case, der eine neuerliche Runde von schweren Verwerfungen an den Finanzmärkten inkludiert, wäre ein Abwärtspotenzial von 35% möglich,“ so Salter. Letzteres ist freilich nicht das Basis-Szenario.
Dennoch, wohin die Reise letztendlich geht, kann derzeit niemand sagen. Politik und Notenbanken spielen eine Schlüsselrolle für die weitere Entwicklung.
„Das aktuelle Niveau des Stoxx 600 entspricht einem globalen Wirtschaftswachstum von 2,5% im Jahr 2012, einem US-Wachstum von 1% und einem Forward-KGV von 10,4. Um das in Relation zu setzen: Das globale Wachstum befand sich auf diesem Niveau während der Rezession in den frühen 1990er Jahren, in der Rezession 2001 und während der Asienkrise im Jahr 1998,“ schreiben die Analysten des European Equity Strategy Research Team der Deutschen Bank. Sollte das US-Wachstum 2012 auf 0% fallen und das Forward-KGV auf unter 9x, dann könnten die Aktien vom aktuellen Niveau weg weitere 25% einbrechen, so die Experten. „Ein US-Wachstum von 2,2% im Jahr 2012 sollte aber ausreichen, damit Aktien Returns im niedrigen zweistelligen Bereich zeigen. Und das Aufwärtspotenzial wäre exorbitant, falls das US-Wachstum auf ein Niveau von 3% zurückkehrt und die Aktien dementsprechend neu bewertet werden.“
Aktuell bleiben die Equity-Strategen der DB vorsichtig optimistisch gestimmt: „Derzeit gehen wir davon aus, dass die Erholung anhält, aber wir werden die Vorlaufindikatoren genauestens beobachten.“
Mehr Klarheit - aber wann?
„Viele Investoren haben ihr zyklisches Exposure reduziert und warten auf mehr Klarheit. Insofern könnte das negative Sentiment im Markt in den nächsten Wochen noch anhalten,“ meint Berenberg-Analyst Stephan Klepp. In einem Update zu Aktien aus dem Capital Goods und Industrial Engineering Bereich verweist er darauf, dass die Unternehmen bislang keinen Rückgang der Geschäftsaktivität oder der Kundennachfrage sehen (das haben sie allerdings auch 2008 nicht, wie er selbst anmerkt).
„Angesichts der hohen Auftragsbestände in diesem Bereich sehen wir die 2011er Zahlen keinem Risiko ausgesetzt. In einem sich verschlechternden wirtschaftlichen Umfeld könnte sich das 2012 und 2013 ändern,“ so Klepp. Da aber das Ausmass eines potenziellen Abschwungs nicht einzuschätzen sei, bleibt Berenberg vorerst bei seinen Schätzungen und zählt Andritz (mit Kursziel 88 Euro) zu den Top Picks im Sektor.
Bei der Deutschen Bank wandern allerdings bereits einige Kursziele nach unten, jenes für Palfinger etwa von 25 auf 20 Euro, für Andritz von 80 auf 65 Euro. „Es ist noch verfrüht zu sagen, wie stark die anstehende Abschwächung der Nachfrage ausfallen wird, aber wir reduzieren unsere Umsatzerwartungen für 2012 und 2013 sowie die Margen signifikant,“ heisst es zu Palfinger.
Die Analysten der UBS wiederum haben die europäische Versorgerbranche unter dem Gesichtspunkt einer Wirtschaftsabschwächung unter die Lupe genommen und sehen im Durchschnitt 10% der für 2013 erwarteten Gewinne je Aktie gefährdet. (bs)