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Brezinschek: Italien – erreicht die Schuldenkrise eine neue Dimension?

Italien - Spezialanalyse

Im Falle Italiens ist die Marktstimmung im Lauf der vergangenen Woche stark ins Negative gekippt. Aktuell liegt die Rendite 10-jähriger italienischer Staatsanleihen bei 5,54 % und damit 68 BP höher als zu Beginn letzter Woche. Direkte Auslöser, die erklären wieso Italien gerade jetzt mit voller Wucht von der Verschuldungskrise erfasst worden ist, lassen sich nur schwer identifizieren - der jüngste Disput innerhalb der italienische Regierung über das neue Sparpaket hat aber sicher nicht zur Stärkung des Investorvertrauens beigetragen.

Italien galt von Beginn der Verschuldungskrise bis jetzt als konservativstes Investment in der Euro-Peripherie. Argumente dafür waren die vergleichweise geringe Neuverschuldung Italiens (2010: 4,6 % des BIP), der für 2011 höchste geplante Primärüberschuss innerhalb der Eurozone (0,8 % des BIP), die starke Investorenbasis im eigenen Land, der bislang stabile Immobilien- und Bankensektor, die geringe Verschuldung des privaten Sektors und die im Vergleich zu den anderen Peripherie-Staaten relativ gute konjunkturelle Lage. Die nach Griechenland zweithöchste Staatsverschuldung (2010: 119 % BIP) wurde zwar schon immer als Risikofaktor genannt. Angesichts der erheblich grösseren Risiken in den anderen Peripherie-Ländern wurde aber die Zahlungsfähigkeit Italiens nicht gleich stark in Frage gestellt. Die im Zuge der jüngsten Zuspitzung der Griechenlandkrise weiter angestiegenen Finanzierungskosten Italiens haben die hohe Verschuldung Italiens und den damit unmittelbar verbundenen hohen kurzfristige Refinanzierungsbedarf nun aber endgültig ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Allein bis Ende 2011 muss Italien noch EUR 175 Mrd. an fällig werdenden Staatsanleihen refinanzieren, was den Mittelmeerstaat besonders anfällig für stark steigende Finanzierungskosten macht. Schon jetzt verschlingen die Zinszahlungen Italiens rund 10 % der Staatseinnahmen, weshalb weiter stark steigende Finanzierungskosten die Solvenz des Landes gefährden würde. Zum Vergleich: Österreich und Deutschland müssen nur 5,5 % ihrer Einnahmen für Zinszahlungen auf die Staatsschuld verwenden.

Derzeit treibt genau die Sorge vor der langfristigen Zahlungsunfähigkeit Italiens im Falle weiter steigender Finanzierungskosten die Investoren aus den Staatsanleihen des Staates und deren Renditen in die Höhe. Damit erhöht sich wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass das gefürchtet Szenario tatsächlich eintritt.

An diesem Punkt stellt sich die Frage wie diese Negativspirale durchbrochen werden kann? Eine Stimmungswende zugunsten Italiens kann unserer Einschätzung nach zum aktuellen Zeitpunkt nur mehr schwer durch Aktionen der italienischen Regierung erreicht werden. Immerhin sorgte auch das vergangene Woche offiziell vorgestellte neue Sanierungspaket, das zwischen 2011 und 2014 Konsolidierungsmassnahmen im Umfang von EUR 68 Mrd. vorsieht (~4,3 % des BIP) für keine Stimmungsaufhellung gegenüber Italien. Im Gegenteil, das Sanierungspaket erntete erhebliche Kritik von Ratingagenturen und Analysten. Hauptkritikpunkt war berechtigerweise die Tatsache, dass ein Grossteil der Konsolidierungsmassnahmen nicht unmittelbar im Jahr 2011-12 (EUR 8 Mrd.), sondern erst 2013-14 (EUR 60 Mrd.) umgesetzt werden sollen. Zusätzliche Massnahmen für 2012 würden die Glaubwürdigkeit des aktuellen Pakets aber deutlich erhöhen und möglicherweise kurzfristig den Ausverkauf italienischer Staatsanleihen stoppen. Ähnlich wie zuletzt bei Portugal, würden könnte dann aber die Sorgen vor den negativen Auswirkungen des drastischen Sparpakets auf das ohnedies chronisch niedrige Wirtschaftswachstums Italiens zum dominierenden Thema werden.

Unserer Einschätzung nach kann eine Stimmungsaufhellung gegenüber Italien und den übrigen Peripherie- Ländern hauptsächlich auf Ebene der EU-Politik erreicht werden. So hat erst die uneinheitliche und zögerliche Vorgehensweise der EU-Politik, zuletzt bei der Ausgestaltung der privaten Beteiligung beim neuen Griechenland-Paket, dem Überschwappen der Unsicherheit auf Italien den Weg bereitet. Die Ansteckung Italiens hat nun die Kritiker dieses Vorgehens bestätigt, welche vor dem hohen Risiko der Ansteckung der grossen Peripherie-Länder durch eine andauernde Hinhaltetaktik gewarnt haben. Das von Liquiditätsschwierigkeiten Italiens ausgehende systemische Risiko spricht dafür, dass die EU-Politik versuchen wird eine noch stärkere Ansteckung Italiens über weitere Notfallsmassnahmen einzudämmen. Bis sich die EU-Politik auf solche neue Massnahmen einigen kann, dürfte in den kommenden Tagen aber eine weitere Verschärfung der Lage in Italien erforderlich sein.

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Anleihen/FX

Die Angst vor einer neuen Dimension der Schuldenkrise im Fall von Finanzierungsproblemen von Italien stieg gestern drastisch: Renditeaufschläge italienischer Staatsanleihen (10J) stiegen auf 346 Basispunkte. Im Gefolge damit stiegen Kurse als sicher gehandelter US- (zehnjährige Renditen auf 2,95 %) und deutscher Staatsanleihen (zehnjährige Renditen auf 2,65 %), EUR/USD fiel auf 1,402 und EUR/CHF auf ein neues Allzeittief von 1,172.

Trotz der heftigen Kursbewegungen, die diese Märkte inzwischen wieder weit von unseren immer noch aufrechten Septemberzielen entfernt haben, sehen wir die jüngste drastische Kursbewegung noch nicht als kurzfristige Kaufgelegenheit für den EUR (vs. USD, CHF etc.) bzw. als Verkaufsgelegenheit für deutsche und US-Staatsanleihen: Ohne wirkungsvolle politische Gegenmassnahmen Italiens und /oder der EU ist es zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich, dass die Angst um italienische Staatsanleihen rasch von selbst wieder sinkt - Anschluss-Verkäufe besorgter Investoren könnten die Risikoaufschläge vielmehr kurzfristig leicht noch weiter anfachen. Angesichts der rein von politischen Entscheidungen abhängigen Situation und dem nicht zu vernachlässigenden Risiko, dass die jüngste Entwicklung der Beginn einer Finanzierungskrise für Italien wird (die angesichts der Grösse des Landes nur schwer zu stoppen wäre), liegt unser Fokus zum jetzigen Zeitpunkt vielmehr darauf Risiko zu reduzieren (kurzfristig neutral positioniert) und in den genannten Märkten vorerst noch auf keine Entspannung zu setzen. Insbesondere EUR/ USD dürfte kurzfristig weiter unter die Räder kommen und seinen steilen Kurseinbruch bis zur Ankündigung glaubwürdiger Notfallsmassnahmen fortsetzen. --new_page--

Aktienmärkte

Auf den globalen Aktienmärkten kamen in den letzten Tagen bereits die Kurse (a) italienischer Titel sowie (b) europäischer Finanzwerte unter Druck. In Summe verloren dann alleine am gestrigen Montag der ATX um 2,61 %, der DAX um 2,33 %, der italienische MIB um 3,96 % und später der S&P 500 um 1,81 %. Die Anleger stehen also neuerlich auf der Bremse, was riskante Veranlagungsklassen betrifft. Nachdem die meisten Aktienindizes seit Ende Juni rasant angestiegen waren, hält sich die jüngste Korrektur jedoch bis dato in relativ engen Grenzen. So verzeichnen etwa sowohl der DAX wie auch insbesondere die wichtigsten US-Aktienindizes seit Jahresanfang sichtliche Zuwächse. Man kann also argumentieren, dass es an den Börsen schon wieder einige Tage lang zu gut gelaufen ist und die Anleger auf einen guten Grund gewartet haben um Kasse zu machen. Wir haben daher schon vor Ausbruch der jüngsten Turbulenzen rund um Italien die etablierten Aktienmärkte nur mehr zum „Halten“ empfohlen bzw. den japanischen Aktienmarkt gar zum „Verkauf“. Auch mit der neu aufgekommenen Verunsicherung sehen wir uns in unserem globalen Kapitalmarktszenario (noch) nicht gezwungen unsere Empfehlungen für die Aktienmärkte auf breiter Front auf „Verkauf“ zu stellen. --new_page--

Asset Allocation

Vor diesem Hintergrund stellen wir die Gewichtung des Globalen Portfolios von einem leichten Übergewicht in Aktien auf neutral zurück. Auch die Wetten innerhalb des Aktien und Anleiheteiles werden herausgenommen. Risikoaverse Investoren sollten vorert den Anteil an risikoreichen Veranlagungen generell gering halten und eine Beruhigung der Situation abwarten.

Im Fall einer Eskalation der Spreadausweitung italienischer Staatsanleihen wäre der Bankensektor besonders gefährdet. Wir reduzieren daher vorerst auch die Gewichtung des Bankensektors in der Anlagestrategie von zuletzt deutlich übergewichten auf untergewichten. Dies obwohl viele fundamentale Gründe für den Bankensektor sprechen und dieser auch günstig bewertet erscheint.