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Morrien: Rating-Agentur Moody's greift Unternehmen aus Italien an

Newsletter vom 21.6.2011

Liebe Schlussgong-Leser,

an den Börsen geht heute die "Erleichterungs-Rally" weiter. Es ist schon erstaunlich, wie stark die Investoren auf einzelne Nachrichten reagieren. Die Einigung der EU-Finanzminister hat dem DAX innerhalb von 48 Stunden ein sattes Plus von 200 Punkten gebracht. Dabei war es relativ klar, dass es wieder einmal einen "politischen Kompromiss" geben würde.

Außerdem war das nur die erste Hürde, um erneut etwas Zeit zu gewinnen. In den nächsten Tagen und Wochen wird es zahlreiche Abstimmungen über das Rettungs-Paket geben. In Griechenland steht heute abend bereits die nächste Hürde auf dem Programm. Es ist auch nicht sicher, dass alle anderen EU-Staaten mit Jubelstimme "Ja" sagen.

Wie gestern bereits geschrieben: Deutschland haftet zukünftig mit über 200 Mrd. Euro (Bareinlage und Garantien). Wenn ich darüber im Parlament abstimmen müsste, hätte ich einige schlaflose Nächte.

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Rating-Agentur sorgt für einen neuen Krisenherd in Europa

Für den Fall, dass das Griechenland-Problem (der sofortige Staatsbankrott) 2 oder 3 Jahre nach hinten verschoben wird, haben die Rating-Agenturen vorsorglich eine neue EU-Front eröffnet. Das neue Angriffsziel ist Italien.

Bereits am Freitag hat die amerikanische Rating-Agentur Moody's damit gedroht, die Kreditwürdigkeit Italiens kritisch zu prüfen. Eine Abstufung droht. Es wurde direkt danach Kapital aus Italien abgezogen. Gestern verlor der italienische Aktien-Leitindex gegen den Trend über 2%.

Heute folgte der nächste Tiefschlag. Moody's kündigte an, nicht nur die Staatsfinanzen in Italien kritisch zu überprüfen, auch die Unternehmen mit Staatsbeteiligung sollen unter die Lupe genommen werden. Betroffen wären zum Beispiel Unternehmen wie Enel, Eni oder Terna. Auch hier drohen schlechtere Rating-Noten.

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Moody's hat ein schlechtes Timing

Dieser Doppelangriff mit Salamitaktik (Freitag den Staat angreifen, Dienstag die Staatsunternehmen) kann als sehr unglücklich bezeichnet werden. Es ist fraglich, ob der Handlungsdruck so groß ist, dass man Tag für Tag neue "kritische Prüfungen" ankündigen muss.

Die Untersuchung der italienischen Staatsfinanzen ist sicherlich dringend erforderlich. Bei den Unternehmen erkenne ich dagegen keine Notsituation. Wenn der Staat dringend Geld braucht, wird er Enel, Eni und Co. verkaufen und die Beteiligungen versilbern. Da diese Unternehmen börsennotiert sind, ist das sehr schnell machbar. Es gibt einen Marktpreis als Orientierungspunkt.

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Neutralität der Rating-Agentur muss kritisch hinterfragt werden

Die Wahrscheinlichkeit, dass es für Enel oder Eni keine Käufer gibt, halte ich für sehr gering. Warum Moody's plötzlich die Rating-Keule schwingt, ist mir schleierhaft. Für die Stabilität des großen EU-Landes Italien ist es nicht hilfreich, wenn eine volle Breitseite gegen die Unternehmen mit Staatseinfluss abgefeuert wird.

Durch das unglückliche Timing kommt immer wieder der Verdacht auf, dass die amerikanischen Rating-Agenturen bewusst neue Krisen in Europa entfachen, um von den Problemen im eigenen Land abzulenken.