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Morrien: US-Wirtschaft zwischen Aufschwung XXS und Krise XXL

Newsletter vom 1.6.2011

Liebe Schlussgong-Leser,

wie gewonnen, so zerronnen. Heute wurden am Aktienmarkt die hohen Vortagesgewinne wieder ausgelöscht. Auslöser sind schwache Daten aus den USA. Ab und zu wird deutlich, dass die Griechenland-Krise nicht das Zentrum der Welt ist.

Während Deutschland einen unerwarteten Aufschwung XXL erlebt und die Arbeitslosenzahl unter die 3-Millionen-Grenze gefallen ist, kann die konjunkturelle Erholung in den USA nur als XXS-Aufschwung bezeichnet werden. Viel weniger Wachstum geht gar nicht. Der nächste Schritt nach unten wäre bereits ein Schrumpfungsprozess.

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Stimmung wird wieder schlechter

Bereits während meiner USA-Reise im April und Mai habe ich von einer sehr wechselhaften Wirtschaftsstimmung gesprochen. Einige Indikatoren deuten auf eine Erholung hin, andere weisen auf die nächste Schwächephase hin. Diese Unsicherheit hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen noch verfestigt.

Heute wurde gemeldet, dass im amerikanischen Privatsektor im Mai 38.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Die Richtung stimmt also. Aber das Tempo ist erschreckend langsam. Volkswirte hatten im Vorfeld mit deutlich über 100.000 neuen Stellen gerechnet. Dazu passt auch, dass sich die Stimmung der Einkaufsmanager in der US-Industrie im Mai wieder verschlechtert hat.

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Notenbank gibt bereits Vollgas

Die oben genannten Wirtschaftsdaten wären nicht so betrüblich, wenn Regierung und Notenbank die Wirtschaft noch etwas ankurbeln könnten. Die US-Regierung ist jedoch quasi handlungsunfähig und die US-Notenbank FED gibt bereits Vollgas. Noch tiefer als 0% können die Zinsen kaum sinken (auch wenn einige Wirtschaftsexperten bereits von einer Negativ-Verzinsung träumen, damit das Geld investiert werden muss).

Die US-Notenbank kann daher nur 2 Dinge tun: Zum einen die Zinsen bei 0% belassen (wobei die inoffizielle Inflationsrate Richtung 10% läuft) und das offizielle Anleihen-Rückkauf-Programm, das in diesen Wochen beendet werden soll, nach einer kurzen Schamfrist wieder neu auflegen. Pläne für das Programm «QE3» liegen bereits in der Schublade.

Die Nebenwirkung dieser Medizin: Die Inflationsraten werden weiter steigen. Auf der Internetseite http://www.shadowstats.com/alternate_data/inflation-charts können Sie sehr schön beobachten, wie die ungeschminkte Inflations-Wahrheit in den USA aussieht.

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Politikerstreit als tickende Zeitbombe

Die US-Wirtschaft schwächelt, aber die Politiker der beiden großen Parteien sind nicht bereit, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Der verkappte Wahlkampf macht jede Entscheidung zu einem Krampf. So wurde die Schuldenobergrenze noch immer nicht erhöht.

Da die US-Schulden die gesetzlich vorgeschriebene Obergrenze erreicht und übertroffen haben, droht der Regierung die Zahlungsunfähigkeit. Nur durch bürokratische Tricks kann der Tag X noch bis Ende Juli oder Anfang August verschoben werden. Immer wieder gibt es Lösungsversuche, aber Demokraten und Republikaner befinden sich im Stellungskrieg. Keine Seite möchte der Gegenpartei den Sieg schenken.

Die Uhr tickt aber. Wenn in den nächsten 2 Monaten keine Lösung gefunden wird, dann knallt es in den USA richtig. Dann geht es nicht mehr um den Aufschwung XXS, dann geht es sehr schnell Richtung Krise XXL.