Böhmer: Die praktische Energiewende
Liebe Leser,
das Thema Energiepolitik beherrscht auch vier Wochen nach der Atomkatastrophe in Japan weiter die Schlagzeilen. Neben dem Atomausstieg spielt vor allem der Ausbau der alternativen Energieträger eine sehr große Rolle.
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Aber bei der Finanzierung der neuen Projekte gibt es für die Bundesregierung erst einmal einen Dämpfer zu verkraften: Nach der Kehrtwende in der Atompolitik wollen die Atomkonzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW erst einmal die Zahlungen in den Milliardenfonds zumAusbau der regenerativen Energie einstellen. Hier hatte die Politik immerhin mit Zahlungen von knapp 17 Mrd. Euro kalkuliert.
Jetzt ist noch nicht klar, wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die weit reichenden Pläne bei der Energiewende bezahlen will. Immerhin geht es hier um etliche Milliarden. Laut der Pläne von Röttgen soll die Windenergie eine tragende Rolle beim Aufbau eines neuen Energiemixes fürDeutschland einnehmen.
In den nächsten Monaten soll dazu ein Förderprogramm von bis zu 5 Mrd. Euro für neue Windparks im Meer vor derdeutschen Küste aufgelegt werden. Hier liegt sicherlich der kurzfristiggrößte Hebel.
Solche Windparks gibt es schon, die weitere Expnasion soll aber nun deutlich schneller als zunächst geplant vorangetrieben werden. Das ist sicherlich eine Folge des Reaktorunfalls im japanischen Fukushima. Mit dem Thema Windenergie werde ich mich in der nächsten Woche einmal intensiver auseinandersetzen. Schon heute nimmt diese Energieform bei den alternativen Energieträgern den ersten Platz ein.
Solarstrom aus der Wüste
Aber es gibt auch noch Projekte mit einem deutlichen größeren Zeithorizont und auch einem deutliche höheren Investitionsvolumen. Da ist auf jeden Fall das Desertec-Projekt zu nennen. Bei dieser Wüstenstrominitiative geht es darum, die massive Kraft der Sonne in der Sahara für die Stromversorgungin Europa zu nutzen.
Und wie groß das Potenzial der Wüsten überall auf der Welt ist verdeutlicht folgende Zahl: Die Wüsten der Erdeempfangen in sechs Stunden mehr Energie von der Sonne, als die Menschheit in einem Jahr verbraucht. Und auf die persönliche Ebene heruntergerechnet, sieht das Ergebnis wie folgt aus: Eine wohnzimmergroße Spiegelfläche eines solarthermischen Kraftwerks reicht aus, um den Strombedarf eines Menschen Tag und Nacht CO2-frei zu decken.
Und auch wenn das gesamte Desertec-Projekt auf fast 30 Jahre angelegt ist, so ist doch wichtig, dass die Technologie für die Umsetzung – in diesem Fall also die Solarthermie – schon existiert. Der große Vorteil: Bei solarthermischen Kraftwerken bietet sich im Gegensatzzur Photovoltaik die Möglichkeit, die Energie zu speichern. Damit können diese Kraftwerke in einem Verbund mit anderen Energieträgern wie Wind oder Photovoltaik eingesetzt werden, um deren Schwankungen auszugleichen.
Nun hat es in den vergangenen Wochen große Bedenken gegeben, ob die Umsetzung des Riesenprojekts in Nordafrika überhaupt möglich ist. Die Unruhen in Tunesien und Ägypten haben sicherlich stark dazu beigetragen. Genau aus diesem Grund verstärkt Desertec nun die Aktivitäten in Tunesien.
Desertec verstärkt die Präsenz in Tunesien
Paul van Son, der Chef des Industriekonsortiums DII, die für die praktische Umsetzung der verschiedenen Desertec-Projekte verantwortlich ist, hat nun mit der tunesischen Übergangsregierung weitere Schritte der Zusammenarbeit vereinbart. So sollen nun konkrete Machbarkeitsstudien inKooperation mit der Ökostromtochter des staatlichen tunesischen Versorgers STEG vorangetrieben werden.
Zur besseren Vernetzung vor Ort soll zudem ein Verbindungsbüro in Tunis eröffnet werden. "Die jüngsten Ereignisse in Japan und Nordafrika haben gezeigt, dass ein starker Verbund zwischen Europa und Nordafrika für Wohlstand und Stabilität notwendiger denn je ist", sagte van Son.
Ob nun Wind oder Sonne – die Technologie für die Nutzug der regenerativen Energieträger ist schon vorhanden. Nun müssen noch massive Investitionenin die neuen Technologien angestoßen werden. Gleichzeitig muss aber auch das aktuelle Stromnetz fit für die Zukunft gemacht werden. Mal sehen, wo das benötigte Kapital dafür herkommt, wenn die Atomkonzerne tatsächlich nicht mehr in den Milliardenfonds einbezahlen.