Brezinschek: Japanische Autoindustrie im Zeichen der Katastrophe
Kernaussagen
Japanische Autoproduktion hat wesentlichen Anteil an der globalen Fahrzeugfertigung
Japanische Hersteller fertigen aber mehrheitlich im Ausland
Ausländische Hersteller werden auch von japanischen Zulieferern bedient
Produktionsausfälle können bis zu einem gewissen Grad wieder aufgeholt werden
Vor dem Hintergrund der Katastrophe in Japan hoffen wir in erster Linie, dass die Hilfsmassnahmen rasch greifen und der Bevölkerung weiteres Leid erspart bleibt.
Seit den tragischen Ereignissen stehen in Japan zu grössten Teilen die Werke der Autobauer, aber auch eine Vielzahl an Zulieferern still. Dies ist insofern von wirtschaftlicher Bedeutung, als die Autoproduktion aus Japan rund 13 % der globalen Fahrzeugfertigung ausmacht. Was die Auswirkungen der dramatischen Geschehnisse auf die Autoindustrie sind, zeigen wir in den folgenden Punkten grob auf.
1. Aktienentwicklung
Die Aktienkurse der japanischen Autoindustrie haben naturgemäss unter den Auswirkungen gelitten, konnten sich aber zumindest besser halten als der japanische Leitindex Nikkei 225.
2. Die aktuelle Situation
Die Herstellung der Autos erfolgt üblicherweise im „Just-in-Time“-Modus, in dem Module, Komponenten, Systeme und Teile zeitgerecht geliefert werden, um hohe Lagerstände zu vermeiden.
Da lassen sich aktuell nun einige Schwachstellen in der Zulieferkette ausmachen:
1. Selbst wenn das eigene Autowerk voll funktionsfähig ist, kann es nicht produzieren, wenn die Teile im Lager ausgehen und der Tier 1-Lieferant1 in der Unglücksgegend nicht fertigen kann.
2. Sollte das Tier 1-Zulieferwerk dennoch funktionsfähig sein, hängt es selbst wieder von den vorgelagerten Tier 2- und Tier 3-Lieferanten2 ab.
3. Auch wenn sämtliche Lieferantenwerke unversehrt sind, so könnten die Teile aufgrund beschädigter Strassen, Schienen oder Häfen mög licherweise nicht zum Bestimmungsort ge langen.
4. Neben den möglichen Transportschwierigkeiten können die temporären Stromabschaltungen bzw. Stromversorgungsprobleme die Produktion erheblich erschweren.
5. Ein Auto kann nicht fertig gestellt werden, selbst wenn - überspitzt gesagt - nur ein Teil fehlt.
Die zuvor genannte Aufzählung ist natürlich ein Worst- Case-Szenario, das aber zumindest in den letzten Tagen in vielen Werken so eingetreten ist. Je nach Entwicklung in den nächsten Tagen und Wochen kann sich dies natürlich auch wieder deutlich bessern, eine seriöse Prognose ist aber angesichts des Ausmasses der Katastrophe schlichtweg nicht möglich. Honda hat etwa bekannt gegeben, dass 113 seiner Zulieferer in der Krisenregion angesiedelt sind.
Obwohl die Produktion „Just-in-Time“ erfolgt, so sind natürlich gewisse Lagerstände vorhanden, die zumindest eine temporäre Autoherstellung erlauben.
3. Überblick über den aktuellen Status der japanischen Hersteller bzgl. Produktionsstopps*
Toyota: Produktionsstopp bis 22. März verlängert, 7 Komponentenwerke aber wieder in Betrieb
Nissan: Nur teilweiser Produktionsausfall
Suzuki: Produktionsstopp bis 21. März verlängert
Honda: Nur teilweiser Produktionsausfall
Mazda: Produktionsstopp bis 21. März verlängert
Daihatsu: Produktionsstopp bis 20. März verlängert
Mitsubishi: Versucht seine 3 Fabriken auch heute noch zu betreiben, hat aber noch keine Produktionspläne für die nächste Woche.
Subaru: Produktionsstopp bis 20. März verlängert
Alle Hersteller behalten sich Planänderungen aufgrund der Unsicherheiten vor und entscheiden erst kurzfristig über den weiteren Verlauf.
Ein totaler Produktionsausfall in Japan würde pro Tag einen Ausfall von ca. 38.000 Einheiten bedeuten. Würden die internationalen Fabriken der Japaner ebenso komplett still liegen, kämen weitere 52.000 Fahrzeuge je Tag hinzu.
4. Japan als Produktions- und Absatzmarkt
In Japan wurden 2010 rund 9,6 Mio. Fahrzeuge (Autos, LKW und Busse) gebaut. Dies entspricht rund 13 % der globalen Fahrzeugproduktion. Von diesen 9,6 Mio. gebauten Einheiten wurden in Japan aber lediglich 5 Mio. Einheiten (davon 4,2 Mio. PKWs) verkauft, der Rest ging in den weltweiten Export. Davon rund 1,7 Mio. in die USA, knapp 940.000 nach Europa und ungefähr 580.000 in den Nahen Osten.
Der japanische Automarkt - auf dem eben 2010 rund 5 Mio. Fahrzeuge neu verkauft wurden - ist von sehr eigenen Kundengeschmäckern geprägt und wird daher sehr stark von den heimischen Marken besetzt.
5. Situation der japanischen Hersteller in ihren internationalen Märkten
Die grossen drei japanischen Hersteller Toyota, Honda und Nissan betreiben ein internationales Netzwerk an Fabriken. Rund die Hälfte aller verkauften Fahrzeuge japanischer Marken wird nicht im Heimatland gebaut. Bei den „grossen Drei“ stammen etwa 80 % aller in Europa verkauften Autos nicht aus Japan. Toyota verkaufte zum Beispiel 2010 weltweit 7,5 Mio. Fahrzeuge (davon rund 1,5 Mio. in Japan selbst), von denen ca. 44 % - also knapp 3,3 Mio. Einheiten - aus japanischen Fabriken stammen. Die restlichen 56 % werden in den Werken Nordamerikas, Europas, Chinas, etc. gefertigt.
2010 haben die japanischen Hersteller ausserhalb ihrer Heimat ca. 13 Mio. Fahrzeuge produziert. Daher wurden also weltweit rund 23 Mio. Fahrzeuge (japanische + internationale Produktion) japanischer Marken gefertigt, das entspricht über 30 % der globalen Fahrzeugproduktion.
Auch die Zulieferkette versucht man grossteils lokal anzulegen, aber dennoch kommen oftmals Teile aus den japanischen Komponentenwerken. Hier besteht somit eine gewisse Gefahr, dass auch die Auslandsproduktion partiell gefährdet ist, jedoch bei weitem nicht so hoch wie die inländische Produktion an sich.
Je kleiner die Hersteller werden (Mazda, Mitsubishi, Suzuki, Subaru), desto mehr bauen diese ihre Autos in Japan.
6. Probleme für „nicht-japanische“ Hersteller
Auch europäische und US-amerikanische Autobauer vertrauen auf die Kompetenz japanischer Zulieferer und werden daher bei bestimmten Modellen und Komponenten Probleme bei einem längerfristigen Produktionsausfall in Japan bekommen. Porsche bezieht etwa für bestimmte Baureihen ganze Getriebe aus Japan. Aufgrund des langen Schiffstransports wären Auswirkungen aber erst in ein paar Wochen spürbar. General Motors setzt die Produktion aufgrund Zulieferengpässe in einem US-Werk nächste Woche aus.
Einfachere Teile könnten die Autobauer notfalls auch von anderen Zulieferern beziehen, bei komplexeren Systemen ist ein Umstieg allerdings nicht so schnell möglich.
7. Chancen für „nicht-japanische“ Hersteller
Aufgrund der zuvor genannten Vernetzung ausländischer Hersteller mit japanischen Zulieferern, sollten sich diese nicht zu früh über markante Marktanteilsgewinne freuen. Je länger aber die Ausfälle in Japan anhalten, desto mehr können die Wettbewerber auf den globalen Automärkten Anteile auf Kosten der Japaner gewinnen.
8. Können die Japaner die Produktionsausfälle wieder aufholen?
So schlimm die Ereignisse der letzten Tage auch erscheinen mögen, so heißt dies noch lange nicht, dass die japanische Autoindustrie zukünftig am Boden liegt. Ein Produktionsausfall von vier Wochen könnte im restlichen Jahr durch zusätzliche Schichten und Wochenendarbeit noch aufgeholt werden. Über diesen Zeitraum hinaus wäre der Produktionsausfall allerdings nicht mehr zu kompensieren und würde vom ausländischen Wettbewerb bedient werden.
Am japanischen Automarkt ist für heuer aufgrund der Geschehnisse sowieso mit geringeren Autoverkäufen zu rechnen. Hier treffen also Produktionsausfälle auf eine ohnehin niedrigere Nachfrage. Signifikante Marktanteilsgewinne „nicht-japanischer“ Autobauer sind aufgrund der relativ geringen Präsenz am Markt ebenfalls nicht zu erwarten.