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Cafe BE: Der Goldzug ist nicht zu stoppen

Cafe BE: Ist Gold Geld?

Andreas Böger (Absolute Performance Management): Da das Geldmonopol zur Zeit vom Staat wahrgenommen wird, sind der USD oder der Euro eher "das Geld". Aber trotzdem kann man das Gold nicht entmonetarisieren. Gold wird aktuell quasi inoffiziell als Ersatzmittel verwendet.

Ronald Stöferle (Erste Group): Der Markt hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende das perfekte Zahlungsmittel gesucht und das sind grösstenteils Gold und Silber und eben nicht, wie es temporär war, Kaffee, Zigaretten oder Papiergeld. Was sich immer mehr zeigt: Früher haben die Leute vor allem den schnellen Profit gesucht, indem sie in Gold und Goldak­tien investierten. Jetzt kommt aber der monetäre Charakter immer mehr zum Vorschein, d. h. man besinnt sich auf diese Jahr­tausende alte Tradition als Zahlungsmittel.

Adalbert Boschek (Schoeller Münzhandel): Vor allem in den letzten Jahren haben sich Edelmetalle wieder monetarisiert. Wenn wir angesichts dieser unsicheren Wirtschaftslage - wir sprechen ja dauernd von einer Währungskrise - den Begriff einfach umdrehen und die Metalle als Krisenwährung bezeichnen, dann hat das heute durchaus seine Berechtigung als Alternative zu den bestehenden Papierwährungen und als Notgroschen und Notfallzahlungsmittel.

Cafe BE: Gold steigt nun seit mehr als einem Jahrzehnt. Was sind die Preistreiber?

Böger: Gold wird als monetäres Gut interpretiert. Man muss einfach schauen, wo die Zinsen der Alternativen liegen, also von Staatsanleihen, Sparbüchern etc. Sind diese real negativ, dann sind die Opportunitäts­kosten von Gold sehr gering. Ein weiterer Faktor ist das Risiko der Alternativen. Wenn dieses steigt, dann wird Gold auch attraktiver, weil es kein Gegenpartei-Risiko hat. Ich würde nicht sagen, Gold steigt, weil die Zentralbanken Gold kaufen. Die Menschen kaufen Gold, weil sie keine Opportunitätskosten und weil sie kein Risiko haben. Darunter kann man alle Preistreiber subsumieren.

Bachheimer (Meridian Commodity Advisors): Gold steigt nicht, sondern Gold ist der Bewertungsmassstab für alles, und die Währungen fallen. Gold ist ein Zeugnis für die Wirtschaftsverantwortlichen und das Währungssystem. Je grösser das Misstrauen in die Währung ist, desto höher ist der Goldpreis. Im kollektiven Unterbewusstsein bildet Gold den Grad des Freiheitsbedürfnisses einer Gesellschaft ab. Je höher der Goldpreis ist, desto mehr wollen sich die Menschen aus diesem System befreien. Für mich ist der Goldpreis ein Revolutionsindikator. Je höher dieser Preis in meinem Währungssystem ist, desto eher kommt der Zeitpunkt, wo dieses System (ich meine damit keine politischen Par­teien, sondern das Gesamtsystem) abgelöst wird von einer neuen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Organisationsform. Insofern sehe ich den Goldpreis wichtiger als jeden anderen Indikator an, denn der Goldpreis sagt mir wirklich, wie weit es ist. Ich würde davon ausgehen, wenn die Unze zwei durchschnittliche Monatslöhne kostet, wird das System abgelöst. Das haben wir demnächst, und wir werden sehen, wie es dann weiter­geht. Der Goldpreis zeigt an, wie weit wir im Zerfall der Eliten und Führungsstrukturen sind.

Boschek: Ich gehe einen Schritt zurück, ganz so dramatisch sehe ich es nicht. Die aktuelle Zinssituation ist ein Indikator für den steigenden Metallpreis als Investment­alternative, ein weiterer Indikator ist die wirtschaftliche Unsicherheit. Und natürlich ist alles ein Spiel von Angebot und Nachfrage. Das Angebot lässt sich schwer erhöhen, die jährliche Produktion liegt bei 2500 Tonnen pro Jahr, dazu kommen aus der Wiederverwertung 2000 Tonnen dazu, also insgesamt 4500 Tonnen. Die Nachfrage ist im Moment noch immer höher als das Angebot. Der grösste Verbraucher ist immer noch die Schmuckindustrie, vor allem China, Indien und Russland sind Nettokäufer. In den letzten Jahren hat sich Gold auch als Investmentprodukt entwickelt.

Stöferle: Indien war im letzten Jahr noch der grösste Nachfrager nach Gold, heuer könnte es China werden. In Indien wird die Goldnachfrage zwar als Schmucknach­frage subsumiert, aber in Wirklichkeit ist das ein Investment, wenn es sich etwa um eine Mitgift handelt. Das sind Dimensionen, die man sich kaum vorstellen kann. Generell ist die Investmentnachfrage sicher der treibende Faktor im Bullenmarkt. Langsam sieht man auch institutionelle Investoren den Markt betreten, wobei diese noch immer massiv unterinvestiert sind. Was wir heute sehen, sind die Zeichen der Zeit. Es ist nicht nur Libyen. In den USA waren in Wisconsin Streiks mit 100.000 Leuten auf der Strasse, in Indien und China gibt es Massenproteste. Ich glaube nicht, dass sich die Situation bald wieder beruhigen wird. Die Probleme von 2008 wurden bei weitem nicht gelöst, ganz im Gegenteil, es wurde versucht, die Krise mit den Mitteln zu lösen, die sie verursacht haben. Daher meine ich, dass die nächste Krise nur noch grösser wird.

Bachheimer: In der Kauf-Motivation gab es 2008 eine starke Änderung. Der indische Markt ist 2008 beim Preis von 1000 USD um 50% eingebrochen, aber dies wurde durch das Investment der ETFs sofort aufgefangen.

Böger: Es ist nicht die Schmucknachfrage aus China oder Indien, weil sie dort plötzlich so viel Geld haben. China hat negative reale Zinsen beim Festgeld und ein Geldmengenwachstum von 50% in den letzten Jahren. Bei negativen Real­zinsen wird dann Gold gekauft. Die Inder machen das seit 40 Jahren, weil der Staat ihnen eine konstante Geldentwertung gibt, ihnen aber verbietet, Goldkonten zu führen. Daher kaufen sie das physische Gold, um sich aus dem staatlichen Geldsystem herauszuziehen. Gold ist ein monetäres Gut, weil das staatliche Geldsystem eben missbraucht wird.

Cafe BE: Sie alle leiten somit aus dem steigenden Goldpreis eine Systemunzufriedenheit ab?

Böger: Es ist ein staatliches Geldmonopol, das an seine Grenzen stösst, weil es eine Überschuldung gibt. Die Leute entziehen sich dem staat­lichen Geldmonopol, indem sie sich der Freiheit zuwenden.

Bachheimer: Die Leute werden gezwun­gen, das staatliche Geld zu verwenden, sehen aber, dass sie damit ständig die Verlierer sind. Mit dem Geld, das uns aufoktroyiert wird, können wir nicht mehr operieren. Und das sind die ersten Auswirkungen, die Menschheit befreit sich davon. Das lässt sich nicht mehr stoppen.

Cafe BE: Wie lange erwarten Sie einen weiteren Anstieg?

Stöferle: Um in Kurszielen zu sprechen: Unser offizielles Kursziel liegt für Juni bei 1600 USD.Langfristig sehe ich die 2300 USD, was das inflationsbereinigte Allzeithoch von 1980 wäre. Allerdings beruht das auf der offiziellen Inflationsrate. Wenn man sich die Shadowstats-Daten hernimmt, käme man relativ schnell auf 8000 USD.

Bachheimer: Bei einer Kurszielberechnung muss man auch beachten, was seit 1980 an Goldmenge und an Geldmenge geschaffen wurde. Und hier ist zehnmal soviel Geld wie Gold geschaffen worden. Damit kommt man auf einen fairen Preis von 23.000 USD. Das werden wir aber nicht erreichen, weil vorher das mone­täre System zusammenbrechen würde.

Stöferle: Generell besteht ein wunderschö­ner Bullenmarkt und am Ende jedes Bullenmarktes kommt eine parabolische Trendbeschleunigung, von der wir noch weit entfernt sind. Im Zuge dessen sollten wir zumindest 2300 USD sehen. Laut Bloomberg bin ich weltweit der mit Abstand optimistischste Analyst aller grossen Häuser. Das Chance-Risiko-Profil ist heute wesentlich besser als 2006, als ich meine erste Goldstudie schrieb und die Welt oberflächlich noch in Ordnung war. 2300 USD mag bullish klingen, das sehe ich aber eher als Untergrenze.

Böger: Man sollte die Kursziele im Sinne einer Kaufkrafterhöhung sehen. In den 30er Jahren ist Gold in den USA um 50% gestiegen, die Preise sind aber um 90% gefallen: Kaufkrafterhöhung ca. 10-fach. In den 70er Jahren ist Gold um das 20-fache gestiegen, aber auch die anderen Preise, sodass sich die Kaufkraft um das 10-fache erhöht hat. So ähnlich wird es auch jetzt passieren. Wenn man die Deflation in Form von Masseninsolvenzen bekommt, dann wird sich Gold stabil halten, während die anderen Preise sinken. Gibt es eine Geldentwertung, dann wird sich die Kaufkraft auch erhöhen, weil dann Gold als Inflationshedge genommen wird. Die Probleme sind jedenfalls um ein Vielfaches grösser als in den 70ern. Der klassische Lösungsweg, ein Papiergeldsystem zu stabilisieren, funktioniert über eine Zinserhöhung. Das war schon im 19. Jahrhundert so. Das wäre dann das Ende der Goldhausse.

Stöferle: So wie 1980, als Paul Volcker den Bullenmarkt dadurch beendete, dass er die Zinsen auf 16,7% erhöhte. Das ist nun absolut illusorisch.

Bachheimer: Die Häuselbauer können heute nicht einmal mit Null Zinsen ihre Kredite bedienen. Das System hat sich zu Tode gelaufen. Wenn die Zinsen erhöht werden, was absolut wichtig wäre, dann ist alles aus. Insofern gibt es kein Ausweichen. Diese Krise hat keine historische Entsprechung, weil es ein globaler Flächenbrand ist. Es ist fast jedes Land betroffen.

Boschek: Die geglättete Prognose bei einer Konferenz im letzten Jahr über alle Teilnehmer lag bei 1450 USD für heuer, wovon wir nicht mehr weit weg sind. Auch 1600 sind im Bereich des Möglichen. Ich möchte mich aber nicht auf eine Zahl fixieren. Mir fehlen momentan die Indikatoren, die für Kursrückgänge sprechen würden. Daher besteht weiteres Potenzial nach oben.

Stöferle: Die bescheidenen Kursziele in Bloomberg, ich glaube, sie liegen aktuell unter 1450 USD, entkräften auch jegliche Bubble-Argumente klar. Ganz am Ende eines Bullenmarktes muss die breite Masse extrem bullish sein und die Analysten müssten Kursziele haben, die weit vom aktuellen Kurs entfernt sind.

Cafe BE: Sie haben extreme Zinserhöhungen angesprochen. Was sonst könnte die Rally beenden?

Bachheimer: Ein Währungswechsel oder eine Neustrukturierung des Weltwährungssystems würde ein abruptes Ende bewirken. Alles andere kann den Goldzug nicht bremsen.

Böger: Wenn man risikobereinigt wieder eine gute Alternative hat.

Cafe BE: Wie viel soll ein Privatanleger prozentuell in Gold investieren?

Bachheimer: Ich habe jetzt 400 Euro eingesteckt, aber der Rest ist quasi in Gold. Ich habe 2002 den Aufsatz "Gold und wirtschaftliche Freiheit" von Alan Greenspan gelesen, meinen Job als Staatsanleihenhändler in Irland gekündigt und verfolge die Situation seither.

Boschek: Ich bin da sicher etwas konservativer und erachte zwischen fünf und 15% in Edelmetallen für sinnvoll.

Stöferle: Wir empfehlen einerseits das physische Investment und andererseits Aktien aus dem Bereich, wovon wir viele auf unserer Empfehlungsliste haben. Vor eineinhalb Jahren haben wir einen Basket mit kanadischen Goldaktien aufgelegt, der nun 130% im Plus ist. Das sind schon empfehlenswerte Anlageformen. Innerhalb der Aktien findet man nach wie vor sensationell günstige Bewertungen. Unser Haus empfiehlt 5 bis 10% Investments in Gold, persönlich habe ich ein bisserl mehr.

Böger: Ich orientiere mich an der Rothschildquote von 30%, persönlich allerdings viel mehr. Genauso wie Thomas Bachheimer habe auch ich 2002 meinen Lebenslauf umgekrempelt, um auf den Goldbereich umzuschwenken.

Bachheimer: Eine Anmerkung zum Bubble­argument: In den 80er Jahren war der Goldanteil 26% und bei Bretton Woods 1944 ware es 40%. Nun ist es 1%. Bubbles fangen erst an, wenn wieder höhere Goldanteile bestehen.

Böger: Ich sehe Gold als Carry-Trade an. Gold ist eine gute Finanzierungswährung. Jeder hat sein Gold verkauft und sein Geld nun in Immobilien, Aktien und Anleihen stecken. So hat niemand mehr Gold auf seinem Konto, aber das wird sich ändern.

Cafe BE: Wer streut dieses Bubble-Argument?

Böger: Verschwörungstheorien sind immer problematisch, weil sie nicht objektivierbar sind. Alle Märkte werden offiziell oder inoffiziell manipuliert. Der Zinssatz wird manipuliert. Expectation-Management ist ein Grundpfeiler der Wirtschaftspolitik.

Stöferle: Es wird überall interveniert, bei den Zinsen, Aktien, am Währungsmarkt. Wieso sollte am Goldmarkt nicht interveniert werden? 2008 war das beste Beispiel, als der Goldpreis gefallen ist.

Bachheimer: Nachdem der Goldpreis 1000 USD erreicht hatte - beim Bear Stearns-Fall Mitte März 2008 -, verlor er dann "rein zufällig" 30%. JP Morgan verdiente dann durch die Übernahme von Bear Stearns mit allen ihren Gold und Silber Short-Positionen eine Unmenge. Dies war die massivste bewiesene Goldmanipula­tion, die sogar im US-Congress durch Gary J. Miller Aufsehen erregt hat.

Cafe BE: Nun zu den ETFs - es gibt ja sowohl physische Gold-ETFs als auch ETFs auf Goldaktienindizes. Wie seriös sind die physischen Gold-ETFs? Es gibt ja immer wieder Gerüchte, dass z. B. der GLD GoldETF nicht oder nicht ausreichend gedeckt sein soll. Dasselbe liest man da und dort vom Silber-ETF SLV. Wie sehen Sie das?

Bachheimer: Die ZKB hat ein enormes Goldlager, ich war selbst dort. Es ist eines der grössten Lager der Welt. Denen vertraue ich. Wenn es aber ETFs gibt wie den SLV, der silbergedeckt sein soll, aber der Custodian für 50% aller Short-Kontrakte verantwortlich ist, dann wird das Bild schief. So etwas kaufe ich sicher nicht.

Böger: Das Grundproblem bei allen ETFs oder ETCs, egal ob ZKB oder Xetra-Gold oder GLD, ist, dass in allen Verkaufsprospekten steht, dass das Eigentumsverhältnis nur so lange gilt, als die jeweilige Zentralbank nichts dagegen hat. Es gibt allerdings einige privat organisierte geschlossene Fonds, die diese Klausel nicht haben, was jedenfalls zu bevorzugen ist.

Cafe BE: Ein weiteres Problem ist die Stückelung bei der Ausfolgung. Die ZKB verpflichtet sich z. B., nur Standardbarren (400 Unzen) auszufolgen.

Stöferle: Ich bin auch kein grosser Freund von ETFs, der ZKB kann man sicherlich trauen. Eric Sprott hat z. B. bei der Auflegung seines Silber-ETFs sechs Wochen benötigt, um das Silber aufzukaufen. Da sieht man, wie eng der Markt ist. Silber befindet sich nach wie vor in Backwardation, was die angespannte Lage am physischen Markt zeigt. Für mich ist hinsichtlich des Kapitalerhalts physisches Gold zu empfehlen. Geht es mehr um die Kapitalvermehrung, dann Aktien aus dem Bereich. Wenn man Gold als Versicherung gegen das enorme systemische Risiko sieht, das wir derzeit haben, dann soll man kein Papiergold im Depot haben.

Bachheimer: Wozu auch? Warum soll man einem Fremden noch dazu aus der s.g. Systemwelt vertrauen, ein Länderrisiko und Risiko der Verwaltung eingehen?

Böger: Man sollte physisches Gold haben. Und zur Diversifizierung des Rechtsrisikos, denn auch physisches Gold kann konfisziert werden, Goldaktien, weil die Aktien verbrieftes Eigentumsrecht auf Gold im Boden darstellen. Man kann relativ gut kalkulieren, wie viel man für dieses Gold im Boden bezahlt, man kann das Risiko beurteilen, was alles schief gehen kann, man kann über verschiedene Länder streuen und durch die Produktionskosten hat man noch einen kleinen Hebel dabei. Das Problem bei den Goldaktien ist die Volatilität. Man muss aber hinzufügen, dass die Goldaktien trotz des schlechten Rufes, den sie wegen des Einbruchs im Jahr 2008 haben, in diesem Jahrzehnt in Dollar um 1500% gestiegen sind, während Gold 500% gestiegen ist.

Cafe BE: Ein Teil der Goldförderer war ja lange short auf Gold. Ist das vorbei?

Böger: Weitestgehend. Das Hedging der Förderer hat aufgehört und die Zentralbanken haben aufgehört, zu verkaufen.

Stöferle: Es sind insgesamt noch 180 Tonnen. Anglo Gold hat letztes Jahr das Hedgebuch aufgelöst. Barrick, der grösste Produzent und ein sehr umstrittenes Unternehmen, hat eine Kapitalerhöhung über fünf Milliarden gemacht, um das Hedge­buch zurückzukaufen. Das ergab in den letzten Jahren auch eine zusätzliche Nachfrage. Auch die Zentralbanken waren lange Verkäufer, aber nun sind sie auf der Käuferseite, nur die westlichen Zentralbanken sind das noch nicht.

Bachheimer: Die Zentralbanken waren nach 29 Jahren 2009 erstmals wieder Netto-Goldkäufer, was einen echten Paradigmenwechsel darstellt. Sie vertrauen sozusagen den von ihnen gedruckten Währungen selbst nicht mehr.

Cafe BE: Könnte Gold bei einer Neustrukturierung des Währungssystems wieder eine Rolle spielen?

Bachheimer: Meiner Meinung ja - es muss und es wird eine wesentliche Rolle spielen!

Stöferle: Ich hoffe ebenfalls. Nimmt man die Aussagen einiger doch recht honoriger Persönlichkeiten wie etwa von Robert Zoellick (Weltbank-Präsident, Anm.) her, in denen auf den "Goldstandard" eingegangen wird, zeigt das schon einen ganz klaren Paradigmenwechsel und war vor einigen Jahren undenkbar. Es gibt allerdings nicht DEN Goldstandard, es gibt viele verschiedene Formen. Ich glaube nicht an eine 100%-ige Deckung. In Mexiko gibt es eine interessante Entwicklung, der Milliardär Hugo Salinas-Price will parallel zum Peso einen Silberstandard einführen. In Malaysia wurden in einer Provinz ein Gold-Dinar und Silber-Dirhem parallel eingeführt. Hier tut sich einiges.

Bachheimer: Wir brauchen bei jedem Währungssystem einen Gravitationspunkt. Das haben wir mit Nixon 1971 verloren, und alle Länder haben aus logischen, aber billigen Motivationen heraus mitgemacht. Wir brauchen etwas Physisches, das nicht beliebig vermehrbar ist. Etwa einen Korb aus Metallen oder eventuell anderen "tangible goods."

Cafe BE: Da würde Professor Antal Fekete, der Begründer des Goldstandard-Institutes, sofort widersprechen, der nur Gold und even­tuell Silber für geeignet hält.

Bachheimer: Palladium und Platin gehen deshalb nicht, weil man ein geeignetes Stock-to-Flow-Verhältnis benötigt (Verhältnis des vorhandenen geförderten Metalls zur laufenden Förderung). Man hat offiziell 165.000 Tonnen Gold und eine jährliche Produktion von 2500 Tonnen. Wenn also die Produktion gegen Null geht oder sich verdoppelt, dann hat das wenig Einfluss auf den Goldbestand bzw. den Goldpreis. Daher ist Gold für ein Bewertungssystem sehr gut. Beim Palladium würde z. B. ein Exportstopp durch Russland das Bewertungsmodell massiv stören.

Böger: Ich unterscheide immer zwischen privatem Geld-Goldstandard und staatlichem Geld-Goldstandard. Der private Geld-Goldstandard ist einfach Gold: Wenn der Staat sich nicht einmischt, dann ist es Gold, da braucht man keinen Standard. Wenn der Staat das Geldsystem an sich zieht, dann gibt es das staatliche Geldsystem. 1971 haben die Staaten quasi die komplette Kontrolle zu 100% über das Geldsystem übernommen. Mometan entziehen die Privaten diesem Geldsystem ihr Vertrauen, indem sie umschichten. Deshalb gibt es die Entwertung, und der Goldpreis steigt. Die Staaten werden versuchen, dagegenzusteuern, indem sie wieder etwas zurückstecken und sich einer externen Kontrolle durch Gold unterwerfen. D. h. der Staat kontrolliert nicht mehr 100% des Geldsystems, sondern wie z. B. im 19. Jahrhundert nur 30%. Wenn das Vertrauen immer mehr schwindet, wird den Privaten also wieder etwas Kontrolle in Form einer partiellen Golddeckung zurückgegeben. Solange es ein staatliches System ist, ist das aber alles wieder nur eine Art der Kontrolle, weshalb ich die Diskussion über den Goldstandard nicht mag. Denn die Bevölkerung wird damit wieder um ihr 100%iges privates Geldsystem betrogen, d. h. es gibt eine angeblich gute Lösung, die dann in 50 Jahren die nächste Krise hervorruft.

Bachheimer: Dem Staat muss das Recht entzogen werden, uns zu diktieren, welche Währung wir verwenden. Wir müssen entscheiden können, was wir als Tauschmittel verwenden. Diese Entscheidung müssen die Akteure des Wirtschaftslebens treffen. Durchsetzen würde sich in solch einem System dann das, was für alle Teilnehmer am fairsten ist.

Böger: Die Menschen müssen erst einmal erkennen, dass das Geldsystem nicht zum Staat gehört.

Cafe BE: Ich möchte nochmals Professor Fekete zitieren: 'Die Regierung müsste wieder das Münzen von Gold erlauben, d. h. jedermann, der sein Gold in anerkannte Münzen schlagen möchte, müsste dies bei einer Prägeanstalt machen lassen können, ohne Gebühren und Mengenbegrenzungen. Man würde also das Gold Unze für Unze in geprägter Form zurückerhalten und der Staat müsste die Prägekosten übernehmen, so wie der Staat auch für die Wartung der Strassen sorgt.'

Stöferle: Professor Fekete und Hugo Salinas-Price sind gute Freunde und haben dasselbe Grundprinzip "Open the Mint" (siehe oben), in gewissen Facetten bestehen Unterschiede. Professor Feketes Ausführungen zum Goldstandard sollte jeder lesen, auch wenn es sehr anspruchsvoll ist.

Böger: Ich bin skeptisch, denn ich sehe noch nicht den Wandel im Denken der Menschen. Wieso wurde die Golddeckung verlassen? Damit die Staaten mehr Ausgaben machen können. Und damit wird viel finanziert: der Wohlfahrtsstaat, der Verteidigungsapparat in den USA. Würde man den Leuten sagen, "wollt ihr wieder gutes Geld haben, das nicht entwertet wird", würde jeder zustimmen. Dann müsste man aber auch fragen: "Verzichten Sie auf ihre Rente, ihr Gesundheitssystem, Girokonto?" Und dann wird es problematisch.

Bachheimer: Aber eines ist schiefgegangen: Unter dem Deckmantel der Umverteilung hat man das Währungssystem jeder Gravitation enthoben, damit man das Kapital bzw. die Produktionsmittel verteilen kann. Hier möchte ich auf meinen vor zwei Jahren verfassten Artikel "Umkehrschub der Umverteilung" hinweisen, denn in Wirklichkeit hat es ganz anders funktioniert. Die Kaufkraft ist aus den Familien herausgekommen. Wir haben zwar schönere Badezimmer und Autos, aber heute arbeiten zwei für das, was einer 1970 geleistet hat. Die Produktivität hat sich aber verdoppelt. Uns wird erzählt, dass die Umverteilung stattfindet. Sie findet auch statt, aber nicht so, wie es uns Kreisky, Olof Palme und Ähnliche erzählten: Vielmehr haben sich die Bankbilanzen seit 1971 verzigfacht, die Börsenindizes verzigfacht und die Parteienförderung verfünfundzwanzigfacht. Der Arbeitnehmer arbeitet noch immer gleich lange für eine Flasche Wein, den Friseur oder ein Brot. Aber der Farbfernseher, den man alle zehn Jahre kauft, oder Fernreisen, die man nie antritt, sind billiger und im Warenkorb enthalten. Und das ist die grosse Unverschämtheit. Das Geld, das für die Armen gedacht war, ist in Wirklichkeit in die Banken, Börsen und Parteien geflossen, und diese Apparaturen haben sich immens aufgebläht und stellen nun das grösste Risiko dar.

Böger: Die Frage des Goldstandards ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern durchzieht sämtliche Gesellschaftsfragen, weil der Staat durch das Papiergeldsystem sehr viel Macht hat. Alle Ausgaben seit 1971 sind möglich gewesen, weil der Goldstandard verlassen wurde und müssten rückabgewickelt werden, wenn der Goldstandard in der richtigen Form wieder eingeführt werden soll.

Cafe BE: Wie wird es auf Sicht der nächsten zehn Jahre weitergehen?

Bachheimer: Wir stehen meiner Einschätzung nach vor der grössten gesellschaftlichen Transformation seit 1789 (Anm. Französische Revolution) in Europa. Es wird einen Umbruch geben. Es muss sich was ändern und es kann nicht sein, dass die gesamte Gesellschaft unter der Herrschaft des internationalen Geld-Pöbels leidet. Das wird die jeweilige Bevölkerung in vielen Ländern wahrscheinlich nicht zulassen. Was danach kommt, darüber gibt’s nur Mutmassungen.

Stöferle: Es hilft nicht, nur das Positive zu sehen. Man muss sich auf die Zukunft vorbereiten. Den klassischen Goldbugs wird nachgesagt, dass sie extrem pessimistisch sind und sich das finanzielle Armageddon wünschen. Das ist völliger Unsinn. Man muss sich aber auf die historisch besondere Situation richtig vorbereiten, und Gold ist in diesem Umfeld ein wichtiger Faktor.

Böger: Das Grundproblem ist, dass mehr ausgegeben als eingenommen wird. Das ist möglich, weil ein ungedecktes Geld­system vorhanden ist, kann aber nicht so weitergehen. Es kann sich innerhalb kurzer Zeit mit einer sehr grossen Krise lösen oder zieht sich über mehrere Jahre oder Jahrzehnte hin. Die Ausgabenmuster, die derzeit vorhanden sind, sind nicht finanzierbar. Das wird sich ändern und darauf muss sich jeder vorbereiten. Man muss die Krise einpla­nen oder mit einem jahrzehntelangen Korrekturprozess rechnen. So kann sich jeder überlegen, ob er sein Gehalt vom Staat bekommt und inwieweit er sich darauf verlassen kann. Eine Möglichkeit ist, sich aus dem Geldsystem zu entfernen und ins Goldsystem zu wechseln.

Boschek: Man sollte nicht in Panik verfallen und unüberlegte Aktionen setzen. Man sollte sich aber in aller Ruhe überlegen, welche Probleme auf einen herankommen könnten, und versuchen, sich im Rahmen einer Anlagestrategie zu diversifizieren. Eine der einfachsten Möglichkeiten ist, keine Schulden zu haben. Man sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen, die Lösungen werden nach indi­viduellen Vorlieben unterschiedlich ausfallen. Langfristige Planung und gute Streuung sind der Schlüssel zum Erfolg, und auch ich würde mich nicht darauf verlassen, dass ich von meiner Pension in ein paar Jahrzehnten mein Auskommen finde. Prepare for the worst, hope for the best.

Cafe BE: Eine Buchempfehlung zum Abschluss?

Bachheimer: Den zuvor erwähnten Greenspan-Artikel. Weiters von Roland Baader "Der papierene Selbstmord."

Stöferle: Als Autoren Mises und Murray Rothbard, ferner von Hayek "Der Weg in die Knechtschaft", von Ferdinand Lips "Die Goldverschwörung", von Gregor Hochreiter "Krankes Geld, kranke Welt" und von Stefan Zweig "Die Welt von gestern".

Boschek: Für jemanden, der beginnt, sich für Edelmetalle zu interessieren, etwa Bruno Bandulet "Das geheime Wissen der Goldanleger".

Böger: Mises, Hayek, für Einsteiger von Rothbard "Scheingeldsystem" und für keynesianisch ausgebildete Volkswirtschaftler von Mises "Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel."


Durch die Diskussion führten
Christoph Rohrmoser und Bettina Schragl

Mehr dazu unter http://www.boerse-express.com/cafebe
Thomas Bachheimer
Meridian Commodity Advisors, Vize-Präsident Goldstandard-Institut (Wien)

Andreas Böger
Absolute Performance Management

Adalbert Boschek
Schoeller Münzhandel

Ronald Stöferle
Erste Group Research