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Risse: Chartisten sind gute Kontraindikatoren

Wenn die klassischen Charttechniker in großer Mehrheit eine Meinung vertreten, dann kann man fast blind das Gegenteil tun. So zuletzt wieder beim Gold geschehen. Anfang Februar erklärten vier namhafte deutsche Chartisten, der langfristige Trend im Gold sei gebrochen. Die Verluste zum Jahresanfang hatten sie hierzu veranlasst. Der Kursverlauf sei klassisch für eine nachhaltige Trendwende, lautete der Tenor. Tatsächlich war es fast exakt der Tiefpunkt der Korrektur. Die Erwähnung dieser Fehlprognose hat nichts mit Häme oder Hochmut zu tun. Dieser kommt bekanntlich vor dem Fall.

Es ist der aus dem Stimmungsblickwinkel interessante Aspekt, auf den ich hinweisen möchte. Denn dieses Phänomen ist mir schon häufiger aufgefallen, auch an anderen Märkten. Es belegt insofern, dass immer noch sehr viele vor allem kurz- und mittelfristig agierende Anleger offenbar nach diesen klassischen Chartmustern handeln. So war es wohl dann auch Ende Januar und Anfang Februar. Die technisch orientierten Gold-Spekulanten waren offenbar zu großen Teilen bereits aus dem Gold ausgestiegen. Und so ebbte der Verkaufsdruck plötzlich ab. Inzwischen hat die Feinunze um über 100 Dollar zugelegt und neue Allzeit-Hochs markiert. Ein großer Teil des Kursanstiegs dürfte wohl auch durch Rückkäufe von Short-Positionen seitens der Charttechniker ausgelöst worden, die auf fallende Kurse gesetzt hatten. Meine hier am Jahresanfang abgegebene Empfehlung, Gold weiter langfristig zu halten und nur eventuelle Hebel zu reduzieren, war insofern nicht falsch. Seit der Goldwende im Jahr 2001 war das erste Halbjahr von eher schwieriger, was mich zu meiner Vorsicht veranlasste. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass die Stimmungsanalyse abermals besser funktioniert hat, als das Anlegen von Linealen an Kursverläufe. Schon am Jahresanfang war keine absolute Euphorie zu spüren, und auch jetzt geben die Stimmungsindikatoren trotz des Kursanstieges keine Verkaufssignale. Ein weiterer guter Kontraindikator sind die Zu- oder Abflüsse von Geldern in oder aus Gold-ETFs. Der weltweit größte Fonds SPDR Gold Trust verlor im Februar 1,38 % an Volumen.

Verantwortlich für den Preisanstieg dürften wahrscheinlich die Chinesen gewesen sein. Die offizielle Inflation ist in China bei mittlerweile 5 Prozent angekommen, was die Chinesen offenbar immer stärker nach Schutz vor dieser suchen lässt. So berichtete die Industrial and Commercial Bank of China zuletzt von einem rapiden Anstieg der Goldnachfrage. Bis jetzt sei mit sieben Tonnen bereits die Hälfte dessen an Gold verkauft worden, was im Gesamtjahr 2010 abgesetzt wurde. China könnte zukünftig insofern ein weiterer Preistreiber für den Goldpreis sein. Das Szenario, das nun ins Blickfeld rückt, ist das des Jahres 2006. Damals stieg der Preis nach einer Konsolidierung von rund 550 auf 731 US-Dollar im Mai. Ausgeschlossen ist es nicht, doch es zu prognostizieren erscheint mir zu wagemutig. Ich bleibe daher bei meiner im ersten Halbjahr immer etwas vorsichtigeren Haltung.

Mehr und Updates von Stefan Riße finden Sie auf seinem Blog: www.rissesblog.de

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, war in den Bestsellerlisten 2010 ganz oben.