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Ansteckungsgefahr für ölreiche Golfregion macht Sorgen

Mit den Volksaufständen in Tunesien und in Ägypten und der Möglichkeit einer Ausweitung der Proteste auf andere nordafrikanische bzw. Nahost-Staaten sind unruhige Zeiten für jene Unternehmen angebrochen, die in diesen Staaten erworbene Rechte besitzen - allen voran etliche grosse Öl- und Energiekonzerne. Der deutsche Energiekonzern RWE etwa verfolgt die Situation in Ägypten mit Sorge. "Das hat uns alle überrascht", sagte Vorstandschef Jürgen Grossmann der "Süddeutschen Zeitung".

Aber auch sonst haben die Ereignisse die Märkte zu Wochenbeginn fest im Griff: Die Unruhen in Nordafrika lassen den Preis für Brent-Öl zu Wochenbeginn auf knapp 100 Dollar je Fass steigen - das ist das höchste Niveau seit Oktober 2008. Der Goldpreis wiederum, der nach den zuletzt erfolgreichen Anleiheauktionen euro­päischer Peripherieländer in einen Abwärts­trend zu geraten drohte, legte zum Wochenschluss eine neue Rally hin. Geopolitische Instabilität - vor allem wenn es um die Sicherheit um Ölreserven geht - hat sich noch immer als kräftige Un­terstüt­zung für das gelbe Edelmetall erwiesen.

Am Aktienmarkt steht zu Wochenbeginn das Exposure einzelner Branchen in der Region am Prüfstand. Für Reiseveranstalter setzt es etwa gleich einmal Kürzungen der Ergebnisprognosen, die TUI-Aktie wird von Citi auf Sell zurückgestuft. Bei den Banken haben laut Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) französische und britische Institute die höchsten Aussenstände in der Region.

Mit Blick auf die Energieversorgung spielt Ägypten eine Rolle, wenngleich auch keine kritische (rund 0,9% der weltweiten Ölproduktion, das Land verfügt auch über zwei Terminals für Flüssigerdgas (LNG), über die 5% des globalen Handels abgeliefert werden. Ägypten hat aber freilich auch die Hand auf dem Suez-Kanal. Über diesen läuft fast ein Zehntel des weltweiten Seehandels, darunter ein erheblicher Teil an Öllieferungen.

Für die Analysten von Bank of America/Merrill Lynch haben OMV, Repsol und ENI unter den europäischen Ölkonzernen das höchste Risiko, geopolitischen Veränderungen in der Region ausgesetzt zu sein. Die Analysten der Deutschen Bank haben sich angesehen, wie es mit dem Engagement der Ölkonzerne in Tunesien, Ägypten und dem Yemen aussieht. Das Ergebnis: Einige der grossen Ölkonzern sitzen teils auf signifikanten Produktions- bzw. Wertansätzen. Die OMV ist dabei zwar nicht an vorderster Front zu finden, aber doch betroffen. Um die 4% der Produktion dürfte in diesen Staaten stattfinden, schätzen die DB-Analysten. Das wertmässige Exposure der OMV in der Region (Net Present Value) belaufe sich auf rund 1 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Bei der BG Group und ENI sind es mehr als 7 Mrd. Dollar. "Im Prinzip ist keines der erwähnten Länder im globalen Kontext ein grosser Ölproduzent," so die Analysten. Beunruhigend wäre es allerdings, wenn es zu Störungen des Schiffverkehrs durch den Suez-Kanal kommt.

Die UBS-Analysten haben in ihrer Aufstellung das Engagement der Ölriesen in Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien und Syrien unter die Lupe genommen. Auch in diesem Ranking liegen ENI mit rund 35% Anteil an der Gesamtproduktion und die BG Group voran. Die OMV hat rund 12% ihrer Produktion in dieser Region angesiedelt. "Man muss allerdings schon berücksichtigen, dass es die Öl- und Gasindustrie gewohnt ist, in einem schwierigen politischen und sicherheitstechnischen Umfeld zu arbeiten," merken die UBS-Analysten an.

Vor allem bei einem Sturz von Ägyptens Mubarak stelle sich die Frage, wie lange sich andere Regierungen, vor allem die in Saudi-Arabien, noch halten könnten. "Jeder geht davon aus, dass die Saudis früher oder später vor einer Krise stehen", sagte John Drake, Risiko-Experte vom Beratungshaus AKE gegenüber Reuters. Zum Wochenauftakt senkte die Rating-Agentur Moody's ihre Bonitätsnote für Ägypten auf Ba2 von Ba1 und hielt sich die Tür für eine weitere Reduzierung offen. Die Experten begründeten ihren Schritt mit einer drohenden Ausweitung des Staatsdefizits. (bs/ag)

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