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Morrien: Hochtief-Übernahme: Von „Giftpillen“, der „Pac-Man-Strategie“, der „Stachdraht-Verteidigung“ und den „weißen Rittern“

Liebe Schlussgong-Leser,

 

zum Wochenauftakt präsentieren sich die internationalen Aktienmärkte schwächer. Der DAX verliert bis zum Handelsschluss über 1% und schließt bei 6.134 Punkten. Es zeigt sich, dass die 6.300-Punkte-Marke, die im September immer wieder getestet wurde, doch noch nicht nachhaltig durchbrochen werden kann. Dennoch war der statistisch schwächste Börsenmonat des Jahres ein guter Börsenmonat. Vom „September-Fluch“ war 2010 nichts zu spüren.

Der DAX ist auf Monatssicht um 6% gestiegen. In den USA konnte der Dow-Jones-Index sogar um 10% zulegen und verzeichnet damit die beste September-Entwicklung seit 1939. Zu den wichtigsten Kurstreibern in den USA zählten erneut die Übernahmen in der Software- und Biotechbranche. Auch in Europa bricht langsam das Übernahme-Fieber aus. Der Übernahme-Versuch des Baukonzerns Hochtief durch den spanischen Konkurrenten ACS sorgte dabei im September für die größten Schlagzeilen und wird uns auch im weiteren Jahresverlauf noch beschäftigen.

Der große Erfolg wird Hochtief zum Verhängnis

Das Hochtief-Management wurde von dem Übernahme-Angebot überrumpelt. Noch vor wenigen Monaten hieß es aus dem spanischen Lager, dass eine Übernahme nicht angestrebt werde und das Aktienpaket von knapp 30% nur eine strategische Beteiligung sei. Angesichts einer Schuldenlast von 10 Milliarden Euro schien ACS zudem auch nicht die finanzielle Stärke zu besitzen, den deutschen Konkurrenten zu übernehmen.

Hochtief hat im Gegensatz dazu kaum Schulden und ist deswegen so lukrativ für ACS. Gelingt die Übernahme per Aktientausch (also ohne Einsatz von Geld), könnte ACS die eigene Bilanz aufpolieren und das Verhältnis von Verschuldung und Wirtschaftskraft wieder in Ordnung bringen. Eine entscheidende Rolle für den Vorstoß spielt aber auch, dass Hochtief weltweit sehr lukrative Beteiligungen besitzt, die hohe Gewinne erwirtschaften und sich theoretisch schnell „versilbern“ ließen.

Leighton als Schlüssel

Besonders die australische Hochtief-Tochter Leighton ist dabei von großer Bedeutung. Hochtief hält ein Aktienpaket von 55% an dem börsennotierten Konzern. Wenn ACS durch die Hochtief-Übernahme Zugriff auf diese Beteiligung bekommt und anschließend verkauft, ist der Erlös - auf dem aktuellen Kursniveau von Hochtief und Leighton - genau so groß wie die kompletten Übernahme-Kosten.

Dann schlägt ACS gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Auf der einen Seite wird die Bilanz aufpoliert und auf der anderen Seite kann praktisch kostenfrei der größte deutsche Baudienstleister eingesammelt werden. Daher ist es verständlich, dass der Hochtief-Konzern von dem Mini-Übernahme-Angebot nicht begeistert ist und Abwehrmaßnahmen plant.

Der Preis bestimmt den Übernahme-Ausgang

Übernahmen gehören zu den spannendsten Börsen-Geschichten. Die Übernahmeschlachten bieten regelmäßig den Stoff für einen Hollywood-Blockbuster. Auch bei der geplanten Hochtief-Übernahme kommen mit der „Giftpille“, der „Pac-Man-Strategie“, der „Stachdraht-Verteidigung“ und den „weißen Rittern“ eine ganze Reihe von Drehbüchern in Frage.

Ziel ist bei allen Strategien, die Übernahme zum derzeitigen Mini-Angebot zu verhindern. Am einfachsten gelingt das über einen steigenden Aktienkurs. Denn: Das verteuert die Übernahme und kann den Angreifer ACS in die finanziellen Schranken verweisen. Die Ankündigung eines Aktienrückkauf-Programms könnte dem Aktienkurs einen ersten Schub geben.

Übernahme-Szenario „weißer Ritter“ wäre ideal

Eine andere Möglichkeit ist die Giftpille. Wenn Hochtief eine teure Übernahme im Ausland ankündigt und dafür Schulden aufnimmt, wird das Interesse von ACS deutlich schwinden.

Richtig spannend wird es, wenn sich ein „weißer Ritter“ in die Übernahmeschlacht einschaltet. Das ist ein „freundlicher“ Bieter, der in Abstimmung mit dem Hochtief-Management bereit ist, einen höheren Preis zu zahlen als ACS.

Eine ganz scharfe Abwehrvariante ist die „Pac-Man-Strategie“. Der Trick: Das Übernahme-Opfer dreht den Spieß um und unterbreitet den Aktionären des Angreifers ein Übernahmeangebot. Dann wird plötzlich aus dem Jäger der Gejagte. Ob aber Hochtief große Lust darauf hat, die Schulden von ACS zu übernehmen, darf bezweifelt werden.